Eine gute Wandertour beginnt mit einem – reichlichen Mittagessen! So denke ich, als ich nach stundenlanger Bahnfahrt um die Mittagszeit in Werfen einem Regionalzug entsteige und erst einmal auf der Suche nach Kulinarischem zum Hauptplatz wandere. Eine Stärkung mit einer reichlich belegten Pizza ist in diesem Moment genau das Richtige – wissend, dass dann mindestens vier Stunden nichts mehr kommen wird.
26.08.2016: von Werfen auf die Mitterfeldalm, 12 km
Um wieder auf den 01er zu kommen, bräuchte es nur wenige Schritte und man steht vor dem gelben Schild mit der Aufschrift „Ostpreußenhütte“ bzw. „Hochkönig“. Die Hauptroute des Nordalpenweges schwebt mir als Solowanderer allerdings diesmal nicht vor, sondern dessen entschärfte Variante über die Almen am Südabhang des Gebirgsstockes. Eine knappe halbe Wegstunde auf einem Radweg später auf der Höhe Grieß gegenüber von Pfarrwerfen ist dann die Abzweigung des Wanderweges erreicht und die ersten Höhenmeter liegen rasch unter mir.

Es geht nun in den Höllngraben hinein und da lange auf einer Forststraße dahin. Meist liegt der Weg im Wald, gelegentlich gibt dieser aber die Sicht auf die Umgebung frei.

Kurz vor der Jagdhütte Hölln geht es nach links steiler hinauf und in der zweiten Kehre verlasse ich die Schotterstraße vorübergehend. Die nächsten Höhenmeter lege ich auf einem schmalen Waldpfad zurück. Am Beginn der Grünmaißalm treffe ich auf eine weitere Forststraße (auf der Karte ist noch immer ein Waldpfad eingetragen). Eine Holzabsperrung (weder Gatter noch Zaun) ist zu überklettern und bald wendet sich der Weg über einen steilen Kamm der Steinalm zu. Almböden mit einem derartigen Gefälle habe ich bisher noch selten gesehen und wenn ich sage, die Alm sei steil, dann meine ich wirklich S-T-E-I-L!!! Der Weg über die Alm ist auch ein wenig vom Weidevieh in Mitleidenschaft gezogen, so dass eine genaue Wegführung kaum noch erkennbar ist. Der Markierung folge ich deshalb mehr oder weniger in der Diretissima bergan.

Auf den besonders anstrengenden letzten Höhenmetern kann ich die Mitterfeldalm förmlich schon riechen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich den korrekten Weg zur Mitterfeldalm gewählt habe, allerdings scheint es so, als würden ohnehin alle Wege dorthin führen.

Den Abend lasse ich noch vor der Hütte mit tollem Bergpanorama ausklingen. Ich habe klare Sicht zum Dachstein, dem Gosaukamm, zum Tennengebirge sowie zu den Schladminger und Radstädter Tauern.

Ich habe mein Lager vorreserviert, was bei guten Wetteraussichten recht sinnvoll scheint, gilt die Hütte doch als beliebter Ausgangspunkt für Touren hinauf zum Höchkönig und der Weg dorthin dürfte noch einer der „einfacheren“ Sorte sein.
27.08.2016: von der Mitterfeldalm nach Maria Alm, 28 km
Auch der Samstag ist wettermäßig ein Traumtagerl, wodurch ich mich gleich doppelt motiviert fühle. Es sollte allerdings noch recht zäh werden, denn 28 Kilometer in ständigem Auf und Ab sind nicht ohne und ordentlich warm ist es außerdem.

Ich verlasse die Mitterfeldalm auf einer „gut ausgebauten“ Schotterstraße, bekomme aber bereits hier einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Der Weg lässt kaum einen Graben oder Rinne aus, wodurch er sich gefühlt einigermaßen verlängert. Nichtsdestotrotz kommt nach etwa einer halben Stunde das Arthurhaus in Sicht. Hier hätte ich auch in Höhenmetern ein wenig tiefer gelegt, jedoch auf preislich deutlich höherem Niveau übernachten können.

Es reiht sich nun eine Almwirtschaft an die andere. Windrauchegg Alm, Riedingalm, Vier-Hütten-Alm und Widdersberg Alm heißen die folgenden potenziellen Jausenstationen, denen ich aber allenfalls fotografische Beachtung schenke. Die Almdichte verwundert nicht, befinde ich mich doch hier nicht nur am Nordalpenweg, sondern gleichzeitig auch auf dem Salzburger Almenweg. Das wäre für mich in Zukunft einmal eine feine Runde im Salzburger Land.

Nach der Widdersberg Alm geht der Weg den Trockenbachgraben weit zum Fuße des Birgkars aus. Der Trockenbach macht in den Sommermonaten seinem Namen alle Ehre.

Gleich danach etwas oberhalb der Stegmoosalm zweigt der Birgkarsteig ab. Nun ist nur noch die sog. Taghaube zu umgehen, dann ist die Schönbergalm und mit ihr die Erichhütte erreicht.

Es ist kurz vor Mittag und ich habe die Sollzeit bereits ein wenig überschritten. Das hindert mich aber nicht daran, hier einzukehren und die Aussicht von der Terrasse hinüber zu den Hohen Tauern zu genießen. Für den Tauern-Höhenweg gäbe es heute auch perfekte Bedingungen.

Auf dem Weg zur Pichlalm hinüber gebe ich zunächst einmal einige Höhenmeter preis. Dafür mitverantwortlich scheint auch eine Wegumleitung zu sein, welche einem zerstörerischen Hochwasser eines Gebirgsbaches geschuldet ist. Die Mittereggalm liegt da schon 200 Hm tiefer. Ungefähr die Hälfte des Höhenverlustes darf ich dann wieder schweißtreibend wettmachen und auf der Pichlalm dafür wieder die Kehle kühlen. Ein Stück muss ich noch weiter die Alm hinauf, um eine Forststraße zu erreichen, die mich nach Hinterthal hinunter bringt.

Im Ort geht es länger auf einer Straße dahin, erst beim Ortsausgang ab der Bergbahn wird daraus ein netter, schattiger Waldweg. Doch nicht allzu lange, denn ich überquere die Straße und stapfe eine steilen und leider sonnigen Hang hinauf zur Jausenstation auf der Jufenalm. Ich bin mittlerweile so weit, dass ich kaum noch eine Einkehrmöglichkeit auslasse und darum einige Zeit länger für den Weg benötige. Ich lasse die Natrunhöhe daher aus und gehe die Variante an deren Nordhang in Richtung Maria Alm. Sonst wäre noch ein Anruf bei meiner Quartiergeberin wegen der verspäteten Ankunft nötig geworden. Etwas unterhalb der Natrunhöhe stoße ich auf einen steilen Skihang mit Tiefblick auf Maria Alm.

In Serpentinen führt der Weg hinunter, das dauert zwar nicht lange, aber ich muss noch durch den ganzen Ort hindurch nach Almerau zur Frühstückspension Auhof, wo ich herzlich aufgenommen werde.
28.08.2016: von Maria Alm zum Ingolstädter Haus, 15 km
Wegen der vorhergesagten warmen Temperaturen und des Restrisikos für Gewitterbildungen am Nachmittag starte ich bereits um sieben Uhr. Die Frühstückspension liegt etwas abseits vom Weg, ich muss daher wieder durch den halben Ort zurück bis etwa zur Kirche. Von dort folge ich der Markierung hinaus in den „Grießbachwinkl“.


Anfangs noch spärlich, werden die mich überholenden Fahrzeuge immer zahlreicher und steuern wohl allesamt den Parkplatz Sandten an, wo sich deren Insassen dann vor mir in den Aufstiegsweg zum Riemannhaus einreihen. Der Straßenbelag wechselt von Asphalt zu Schotter und nach einer guten Stunde ist besagter Parkplatz auch per pedes erreicht. Die lange und breite „Hiker-Autobahn“ ist ein wenig öd, aber immerhin liegt sie zu dieser Tageszeit noch im Schatten.

Ab der Talstation der Materialseilbahn ist dann Schluss mit breit. Es geht nun direkt in die erste Steilstufe, teilweise steinig und mitunter auch seilversichert.

Ist diese überwunden, geht es kurvig und für mich mittlerweile in der Sonne in die Flanke des Sommersteins hinein. In dieser Passage hat man Stufen in die Wand geschlagen und beinahe durchgängig Stahlseil-Versicherungen angebracht. An starken Tagen gibt es hier ein wenig Stau und kaum Fotos. Kommt man oben aus der Flanke heraus, bietet sich ein eindrucksvoller Tiefblick auf Maria Alm und Umgebung.

Die letzten Höhenmmeter zum Riemannhaus werden dann zwar nochmals recht steil, das macht mir aber nichts mehr aus. Ich kann mir ein wenig mit dem Essen Zeit lassen, habe ich doch die im Tal angeschriebene Aufstiegszeit um dreißig Minuten unterbieten können.
Bei der Hütte teilt sich die Masse der Bergfexe dann ein wenig auf. Die einen bleiben überhaupt bei der Hütte hängen, andere besteigen den Sommerstein, das Schönegg oder das Breithorn. Vom Riemannhaus gäbe es auch die Möglichkeit, nach Deutschland zum Kärlingerhaus und zum Königsee weiterzuwandern (Rupertiweg!). Der Nordalpenweg nimmt jedoch die Route des „Eichstätter-Weges“ über die Aulhöhe (mit 2314m der höchste Punkt meiner diesmaligen Etappe) hin zum Ingolstädter Haus.

Schon bald nach dem Aufbruch treffe ich im felsigen Gelände auf zwei Wanderer, die ebenfalls zum Ingolstädter Haus wollen – einen Berliner und einen Münchener. Da die Bewölkung jetzt zunimmt, was im Steinernen Meer auch dichten Nebel bedeuten kann, ist mir die zeitweilige Begleitung ganz recht.

Ab der Aulhöhe sind der Große und der Kleine Hundstod – die Hausberge des Ingolstädter Hauses – zu sehen, die Schutzhütte allerdings noch nicht, denn sie verbirgt sich in der Dießbach-Scharte. Die Entfernung wirkt an dieser Stelle kürzer, als sie tatsächlich ist. Liegt es an den zahlreichen Dolinen, die zu umgehen sind? Auch an Höhenmetern spart der Weg nicht. Immer wieder geht es bergauf und bergab.

Kurz nach halb vier Uhr nachmittags komme ich endlich bei der Hütte an und kann den restlichen Nachmittag auf deren Terrasse ausklingen lassen. Interessant ist, dass vom Riemannhaus gar nicht so viele Wanderer hierher herüber kommen. Der Traffic vom Kärlingerhaus herauf ist deutlich höher.
29.08.2016: vom Ingolstädter Haus bis zum GH Hirschbichl, 17 km
In der Nacht ist die Luft etwas ruppig. Wolkenbruchartige Regen- und Graupelstürme fegen – von Blitz und Donner begleitet – über die Hütte hinweg. Das Ungemach findet aber bald ein Ende, so dass die Fortsetzung des Weges hinab zum Dießbach-Stausee und weiter Richtung Lofer zeitgerecht erfolgen kann. Der Weg geht gleich unterhalb des Ingolstädter Hauses in die Dießbach-Scharte hinein und schmiegt sich sodann an den Wandfuss des Kleinen Hundstod.

Das nächtliche Gewitter hat am Morgen nur noch Restbewölkung hinterlassen, aus der lokal ein wenig Sprühregen herunter kommt. Ein solcher erwischt mich just, als ich den Wandfuss des Kleinen Hundstod bereits hinter mir habe und mich knapp über der Baumgrenze befinde. Ist das Regenzeug also nicht ganz umsonst mitgeschleppt worden. Viel kommt nicht herunter, allerdings reicht es, um den steinigen Bergpfad nass und rutschig zu machen.

Kaum in den Wald eingetaucht, verwandelt sich der Bergpfad auch schon in eine Schotterstraße. Zum Stausee habe ich allerdings nur einmal freie Sicht. Den restlichen Teil des Weges an dessen Ufer entlang gehe ich nie eben, sondern im ständigen Auf und Ab oberhalb von Felsstufen bis zur Staumauer.

Über die Dammkrone wechsle ich auf die andere Seite des Stausees, wo sich ein schlechtwettertauglicher Rastplatz befindet. Von hier aus sehe ich mir nochmals den Talschluss an, den ich gerade herabgestiegen bin.

Nach kurzem Anstieg erreiche ich die Kallbrunnalm, wo es Wassernachschub gibt. Zahlreiche Almhütten stehen hier, einige davon sind wohl auch Jausenstationen. Ich schaue aber, dass ich weiterkomme, denn noch hält das Wetter, was mich optimistisch stimmt, zumindest bis zum Bus beim GH Hirschbichl trocken zu bleiben.

Nach der Kallbrunnalm darf ich meine Beine auf einer sehr steilen, gefühlt kilometerlangen Forststraße durch Bergwald hinab martern, bis zu einer Kreuzung, an der es zwar keine rot-weiß-roten Markierungen gibt, dafür aber gelbe Schilder. Eines davon zeigt nach links, das andere nach rechts, aber die Aufschrift ist völlig ident: GH Hirschbichl 1 1/2 Std. 401 (Wegnummer, Anm.). Weil der Gasthof eher links von meinem Standort zu suchen ist, gehe ich nach links leicht bergab. Die gewohnte Markierung sehe ich trotzdem nicht mehr. Als ich im Talgrund an eine Straßenkreuzung komme, finde ich wieder ein gelbes Schild, welches mich auf der anderen Talseite steil die Straße hinauf in etwa 30 bis 45 Minuten zum Gasthof weist. Trotz der mittlerweile verschwundenen Sonne komme ich da gehörig ins Schwitzen. Kurz nach zwölf Uhr mittags stehe ich vor dem Gasthof, der direkt an der deutsch-österreichischen Grenze liegt.

Bereits zu diesem Zeitpunkt ist für mich klar, dass es nach dem Mittagessen wohl nur noch per Bus hinab ins Tal gehen wird, zu sehr bin ich von Schauern und Gewittern eingekreist, als dass ich noch stundenlang sicher bis nach Lofer weiter gehen könnte. Zwei Wege wären zur Auswahl gestanden: Erstens der etwas verwachsene und teilweise versicherte Arnoweg (bzw. 401A) oder der Hauptweg des 01ers durch die Wildenbachklamm, was bei einem in der Nähe niedergehenden Unwetter auch beängtigend klingt.
Anbindung an den öffentlichen Verkehr: Bus 847 vom GH Hirschbichl nach Weißbach bei Lofer bzw. nach Hintersee (D) in der Gegenrichtung (Juni bis Oktober, witterungsabhängig, Sondertarif!), von Weißbach mit dem Bus 260 nach Zell am See oder nach Salzburg zum Hbf. in der Gegenrichtung (wartet den Bus 847 aber nicht ab!); von Zell am See mit der Bahn über Werfen nach Salzburg Hbf.
Will/muss jemand in Maria Alm unterbrechen, so ist Saalfelden mit dem Bus erreichbar (bitte Verkehrstage checken). Von Saalfelden nach Zell am See bzw direkt übers kleine Deutsche Eck nach Salzburg wie oben beschrieben. Nach Zell am See kommt man allerdings von Saalfelden aus auch mit der Bahn.
Ein Gedanke zu „Nordalpenweg 01: Über Salzburger Almen und ein Meer aus Stein“