Das Weltkulturerbe Semmeringbahn und die von Bergen und tiefen Gräben geprägte Landschaft im Umkreis – von dieser Szenerie bin ich schon lange angetan. Ausgehend vom Bahnhof Semmering existiert ein netter Wanderweg entlang der Bahntrasse bis nach Payerbach bzw. alternativ ein wenig länger nach Gloggnitz hinab. Dieser „Bahnwanderweg“ steht schon seit Jahren auf meiner innerhalb eines Tages erledigbaren To-do-Liste weit oben, genauer gesagt dessen niederösterreichischer Teil, denn auch auf der steirischen Seite findet man ein gleichnamiges Pendant. Am diesjährigen Nationalfeiertag ist es dann endlich so weit und ich kann auch die beiden Wanderfreundinnen Jasmin und Silke für die Wanderung begeistern.
Tag der Tour: 26.10.2017;
Die Anreise zum Ausgangspunkt genießen wir bereits in vollem Zuge, am Bahnsteig im Bahnhof Semmering findet der kleine Wandertrupp aber wieder zusammen. Es ist erst 9:15 Uhr und die Sonne lacht vom Himmel, deshalb wollen wir die komplette Strecke bis nach Payerbach – also gut 21 km – gehen. Sollte es sich wider Erwarten doch nicht vor der Dunkelheit ausgehen, kann man auf jedem Bahnhof davor abbrechen.
Noch im Bahnhofsbereich von Semmering steht das erste der für den Bahnwanderweg typischen Schilder. Anscheinend hat man beim zuständigen alpinen Verein bzw. Tourismusverband entschieden, dass als Wegpunkte – wie es sich für einen „Bahnwanderweg“ gehört – ausschließlich Bahnhöfe anzugeben sind und da fährt wohl die Eisenbahn drüber.


In schlappen sechs Stunden sollen es die Wanderer bis zum Bahnhof in Payerbach schaffen. Das liest sich zunächst recht entspannt, aber Obacht: zahlreiche Aussichtsgelegenheiten auf die Landschaft, planungstechnische Meisterleistungen an Iinfrastruktur eines Herrn Carl Ritter von Ghega und viele Fotomotive können das Vorankommen einigermaßen hemmen! Ende Oktober ist man dann ab etwa 18 Uhr auf künstliche Beleuchtung angewiesen…
Na, dann nichts wie los! Schon bald befinden wir uns auf einem sanften, schattigen Waldweg, der uns rasch zum ersten Aussichtspunkt bringt. Breitenstein und die Pollereswand liegen uns zu Füßen, die Rax verschönert den Horizont.


Der gelungene Start in den Weg mit seinen ersten Aussichts- und Höhepunkten generiert zufriedene Gesichter bei der Wanderbegleitung – hier bei der Doppelreiterwarte.

Der herbstlich belaubte Waldweg führt nun um den Wolfsbergkogel herum zur nächsten Aussichtsplattform, dem so genannten „20-Schillingblick“. Diese Bezeichnung ist dem Motiv auf der Rückseite der früheren 20 Schilling-Banknote geschuldet, denn dort ist genau das zu sehen:

Die beiden nächsten Motive sind nicht minder sehenswert, werden es allerdings wohl nie auf eine Banknote schaffen.

Bei dem dichten Programm an Fotosessions ist auch ein wenig Abwechslung vonnöten. Wir finden diese auf einer Bank der Labestation bei „Hinterholz 9“ mit Kaffee und Kuchen. Nebenbei erfahren wir einiges über die wirtschaftliche Lage am Semmering.

Der Vortrag ist interessant und aufschlussreich, aber irgendwann müssen wir weiter zur Fleischmannbrücke hinab. Unter ihr hindurch geht es kurz auf der Straße weiter und an einem ausgestellten Arbeiterlager zur Zeit der Errichtung des Viaduktes vorbei. Auf der anderen Seite biegen wir in einen schmalen Pfad wieder in den Steilhang der Rotleiten ein.


Wir passieren eine meterhohe Felswand, gleich danach biegt der Pfad im rechten Winkel vom Bahnkörper weg und wird bald darauf zum Forstweg, der uns in den Übergangsbereich vom Adlitzgraben zur Kalten Rinne hinab bringt. Hier bietet der Bahnwanderweg zwei Varianten an: eine davon bleibt bis Breitenstein direkt auf der den Adlitzgraben durchziehenden Asphaltstraße, die andere zweigt unmittelbar nach der Unterschreitung des Viaduktes nach links in den Hang der Pollereswand hinauf.

Weil aber der Hangweg laut Karte bald wieder in die Straße einmünden soll, nehmen wir einen ausgetretenen Pfad durch die Wiese ins Gestrüpp hinein. Dummerweise endet dieser Weg bald im Nichts ohne die Möglichkeit, direkt zur Straße zurück zu können. Also wieder zum Viadukt retour.

Wir probieren es nun doch mit dem Hangweg und stoßen an dessen Scheitelpunkt auf einen Stollen, in den man ein Stück hinein gehen kann. So werden drei Wanderer flugs zu Höhlenforschern.

Gleich nach dem Stolleneingang gelangen wir an einen Aussichtspunkt am Beginn eines der Viadukte, wo man den Adlitzgraben bei Breitenstein, das Viadukt selbst und einen Teil der Pollereswand sehr gut im Bild hat. Zufällig ergibt es sich, dass es auf der Bahntrasse gerade ein wenig Action gibt.

Täglich verkehren hier bis zur Eröffnung des Semmering-Basistunnels noch 240 bis 290 Züge, dennoch werden sich an dieser Stelle nur Bahnfreaks länger aufhalten. Meine vollste Konzentration gilt bereits wieder dem kurvenreichen, steilen und feucht-schottrigen Abstieg zur Straße hin, auf der wir in wenigen Minuten Breitenstein und den Blunzenwirt erreichen, den wir aber auslassen. Um zum Bahnhof zu gelangen, müssen wir wieder ein paar Höhenmeter bergauf machen. Dort angekommen, haben wir knapp die Hälfte des Weges geschafft.
Nach dem Bahnhof ändert sich die Umgebung vorübergehend, denn wir sind nun auf einem Güterweg durch Weidegebiet unterwegs.

Dieser bringt uns über einen schwach ausgeprägte Sattel zu ein paar Häusern und wieder zur Bahn zurück. Jetzt lässt sich auch die Burg Klamm deutlich ausmachen.


Mittlerweile befinden wir uns wieder im Wald und folgen dem Pfad, der bald zu einem Bachlauf hinab fällt. Einmal noch haben wir das Vergnügen, direkt an einem der Viadukte entlang aus dem Graben herauf zu steigen, bevor wir in Klamm einlaufen.

Im Ort finden wir eine bequeme Sitzgelegenheit. Es ist nun an der Zeit, die selbst mitgebrachte Jause zu verzehren. Während wir so da sitzen, bietet sich uns diese Kulisse, die von mir schleunigst verewigt wird.

Der Weiterweg zieht aus Klamm heraus zur Klammer Kapelle hinauf, wo sich kurz zuvor auch die Wegteilung nach Gloggnitz befindet. Weil das Nebeneinander von Natur und Infrastruktur das Thema dieses Wanderweges ist, verwundert es nicht, dass sich auch einmal eine hohe Schnellstraßenbrücke über ein enges Tal spannt – in diesem Fall jene über den Ort Schottwien. Dahinter ist der Wallfahrtsort Maria Schutz am Fuße des Sonnwendsteins erkennbar.

Von da an geht es – am Kobermannsberg vorbei und hoch über dem Hellgraben – nur noch bergab, zunächst deutlicher bis zu einer Weide in Küb. Dort erwartet uns auf der Höhe des Bahnhofes ein weicher, sehr angenehmer Wiesenpfad.

Das Finale des niederösterreichischen Teils des Bahnwanderweges wird von matschigem Forstwegboden bestimmt. Der hält uns jedoch auch nicht mehr auf und ab einer Unterführung am oberen Ortsrand von Payerbach ist es auch mit dem Matsch vorbei, so dass wir einigermaßen sauber bei der Schwarzabrücke ankommen – so wie am Bahnhof Semmering ausgeschildert nach exakt sechs Stunden reiner Gehzeit. Zum Bahnhof Payerbach-Reichenau ist es dann nur noch ein Katzensprung.


Der Bahnwanderweg ist einfach zu laufen und eignet sich insbesondere auch für die kürzer werdenden Herbsttage. Selbst im Winter wird er manchmal begangen, dann haben jedoch die Labestationen nicht mehr geöffnet. Der Weg ist auch in der umgekehrten Richtung machbar, nur schätze ich ihn so fotografisch nicht mehr so interessant ein, weil man sich für die Aussicht des öfteren umdrehen müßte. An den Wochenenden könnte der Wanderweg auch ein wenig überlaufen sein. Verirren kann man sich am Weg kaum, denn die Beschilderung ist top.
Mein Dank gilt all jenen Einflussfaktoren, die das Wetter an diesem Feiertag so schön werden ließen und selbstverständlich auch ganz besonders jenen beiden Begleiterinnen, die dazu beigetragen haben, dass diese Wanderung nie langweilig werden konnte.
Ein Gedanke zu „Zwischen Natur und Infrastruktur: Auf dem Bahnwanderweg nach Payerbach“