Während sich die überwiegende Mehrheit unserer Zeitgenossen dem vorweihnachtlichen Kaufrausch hingibt, bevorzuge ich eher Orte der Stille. Da kommt es mir gelegen, dass ich kürzlich den W11 vor den Toren des Wiener Zentralfriedhofes unterbrochen habe. Wo sonst, wenn nicht inmitten der letzten Ruhestätten, soll ich finden, was ich in der hektischsten Zeit des Jahres suche. Daher ist mein Entschluss schnell gefasst, bei der ersten Chance die Friedhofsgemäuer wieder aufzusuchen und über Kaiserebersdorf und die obere Lobau bis nach Eßling hineinzuwandern.
Tag der Tour: 16.12.2017, Länge: ca. 18 km;
Die Schnellbahnzüge der S7 fahren die Station Wien Zentralfriedhof im Halbstundentakt an. Von da nehme ich den W11 sofort beim 11. Tor des Zentralfriedhofes auf. Aber Obacht! Falls die Tore geöffnet sind, geht man – so wie ich – durch die Friedhofsanlage hindurch, sind sie geschlossen, bleibt nur der (Um-)weg außen herum.

Innerhalb der Friedhofsmauern ist der Weg nicht markiert. Es gilt daher, den kürzesten Weg (laut Karte) zur Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche und weiter zum 2. Tor an der Simmeringer Hauptstraße zu finden.

An den Ehrengräbern der Stadt Wien vorbei geht es beim 2. Tor aus der Friedhofsanlage hinaus und jenseits der Simmeringer Hauptstraße zum Tierfriedhof, der mit deutlich weniger Schmuck und Schnörkel auskommen muss.

Einmal um die Ecke wird das Thema „Verrottung“ gleich einmal ins Gegenteil umgekehrt. Anscheinend hat irgendjemand Zweifel an diesem Faktum.

Zwischen dem Gemüse hindurch führt der Weg zum Friedhof nach Kaiserebersdorf hinab, wo ich meine heutige Friedhofstour bei dessen Eingang beenden kann.

Die Schmidgunstgasse ist alles andere als spektakulär und kaum weiter beachtenswert, hätte ich nicht diesen Aufkleber des Sultans Trail entdeckt.

Ach ja, Weihnachten naht! Die Weihnachtsbäume von Kaiserebersdorf passen sich irgendwie dem Ortsbild an.

In der Zinnergasse wird es verkehrsbedingt vorübergehend ein wenig laut. Ich erreiche dann bald einen Platz, der so gar nicht mit meinen eingangs erwähnten Ansprüchen vereinbar scheint. Ich frage mich, von wo aus auf dem Artillerieplatz denn aus allen Rohren geschossen werden könnte. Die runden Öffnungen auf den gelben Deckeln der Mülltonnen erscheinen mir ein wenig verdächtig. Benannt ist der Platz übrigens nach der ehemaligen Landwehr-Artilleriekaserne.

Doch nicht nur vermeintliches Schießgerät erzeugt beim Wandern durch den elften Hieb ein mulmiges Gefühl, auch am Boden ist hie und da eine Falle ausgelegt.

Dennoch erreiche ich unfallfrei und unversehrt den Wiener Hafen bei der Freudenau.

Dort zeigt man mir die Zähne und dreht mir eine äußerst lange Nase. Ansonsten wird einem hier nur Beton gegeben.

Die Donau überquere ich beim Kraftwerk Freudenau und gehe danach flussaufwärts über den „Toten Grund“. Der Name erinnert mich irgendwie wieder an Friedhöfe, was auch an der Stille – insbesondere im Bereich der Forsthütte – liegen mag.

Bei meinem letzten Besuch bei dieser Hütte war hier noch ein ziemliches Gewusel, weil ein Fotoshooting stattfand. Heute bleibt es hier bis zum Holzsteg bei der Neuen Donau ruhig.

Diese Ruhe wird am Ufer der Neuen Donau vom böigen Gegenwind gestört, der es kurzzeitig auch ziemlich kalt werden lässt. Aus diesem Grund kommt mir die Steinspornbrücke rasch näher. Diese bringt mich dann zur Lobau hinüber. Auf der Brücke merke ich, dass hier zwischen Freund und Feind klar unterschieden wird.

Beim GH „Roter Hiasl“ betrete ich den Nationalpark Lobau. Schon beim Nationalparkhaus finde ich erstmals die typischen blauen Schilder vor, die mich von nun an bis zur Eßlinger Furt leiten werden. Hierbei wird auch der Stadtwanderweg mit der Nummer 11 nicht benachteiligt.

Auf Waldwegen nehme ich nun Kurs in Richtung Dechantlacke, wo an warmen Sommertagen viel nackte Haut zu sehen ist. Jetzt im Dezember tragen nur die Bäume nichts und alles wirkt friedlich und verschlafen. Nur ein Fotograf reibt sich die Augen ob der Verlassenheit dieses Ortes.

Dasselbe könnte er auch wenig später auf dem Weg zum Josefsteg tun, als einige Mountainbiker von hinten in halsbrecherischen Ausweichmmanövern ins Gelände mit hohem Tempo an ihm vorbeirasen. Beim Steg selbst ist wieder alles friedlich und ruhig.

Heute mache ich jedenfalls keine halben Sachen. Ich bin mir sicher, dass ich an dieser Stelle schon mehr als ‚die halbe Gschicht‘ berichtet habe.

Über die „Alte Naufahrt“ und den „Fasangarten“ geht es nun zur Panozzalacke und vorbei an Napoleons Hauptquartier von 1809 in die Alte Napoleonstraße beim Zentraltanklager Lobau hinein. Kurzzeitig begleitet mich dabei der Ostösterreichische Grenzlandweg wieder. Allerdings nur bis zur nächsten Wegteilung.

Von da weg folge ich weiter der Napoleonstraße durchs Plättenmaiß. Kurz vor der Vorwerkstraße verlasse ich sie halbrechts.

Am Nordwestrand der Oberen Lobau geht es nun entlang des Oberleitner-Wasser durch die Obere Waidhagen bis zur Eßlinger Furt weiter.

Dabei kommt kurz auch einmal die Sonne durch.

Etwa hundert Meter vor der Eßlinger Furt kommen mir der W10 und der „rundumadum“ entgegen. Gemeinsam verlaufen nun alle drei Wege nach Eßling hinein.

Den Nationalpark Lobau hinter mir lassend durchwandere ich zum Abschluss des Tages noch die Eßlinger Wegmayer-Siedlung auf der elendslangen Kirschenallee.

Bei der Bushaltestelle in der Eßlinger Hauptstraße ist dann Schluss für heute. Bis Heiligenstadt/Nussdorf verbleiben somit noch eineinhalb bis zwei Tagesetappen, die sich noch in diesem Winter ausgehen sollten. Damit sehe ich auch schön langsam den Zeitpunkt gekommen, um über ein neues Herbst/Winter-Flachlandprojekt nachzudenken. Zur Auswahl stehen der Tullnerfelder Rundwanderweg, Rund- und Streckenwanderungen im Weinviertel oder auch der eine oder andere nette Wanderweg am Rande von Graz, falls einmal ein wenig mehr Zeit bleibt. Mal sehen, was es wird.
Ein Gedanke zu „W11 – vom Zentralfriedhof nach Eßling“