Eine Durchstreifung der Ötschergräben im Mariazellerland – auch als „Grand Canyon Niederösterreichs“ bezeichnet – stand schon lange auf meiner Bucket List ganz oben. Angehen wollte ich diese Tour am ehesten im Frühjahr, wenn die Bachläufe mehr Wasser führen und die Vegetation ein wenig grüner wirkt. Ein geeigneter Zeitpunkt dafür schien nun im letzten Frühsommer gekommen, als die Witterung längere Ausflüge ins Gebirge nicht zuließ und sich an einem Sonntag ein ganztägiges Sonnenfenster auftat.
Tag der Tour: 11.06.2017, Länge: 19 km;
Route: Hst. Wienerbruck – Kraftwerk – Jausenstation Ötscherhias – Mirafall – Schleierfall – Schutzhaus Vorderötscher – Hagengut – Hst. Erlaufklause;
Anreise: Mit der Bahn nach St. Pölten und weiter mit der Mariazellerbahn nach Wienerbruck. Eine alternative Möglichkeit wäre, mit dem eigenen PKW bis Erlaufboden zu fahren und von dort entlang der Hinteren Tormäuer zum Kraftwerk beim Zusammenfluss von Lassingbach und Erlauf zu wandern.
Gegen 8:30 Uhr komme ich in Wienerbruck an und begebe mich sogleich zum Besucherzentrum des Naturparks beim aufgestauten Lassingbach. Der Eintritt beträgt für Erwachsene derzeit drei Euro, für zwei Euro mehr könnte ich während der Wandersaison (Mai bis Oktober) mit der Mariazellerbahn von der Hst. Erlaufklause wieder nach Wienerbruck zurückfahren, um zum Auto zu kommen. Mangels eigenem fahrbaren Untersatz nehme ich dieses Angebot jedoch nicht in Anspruch, außerdem ist man dabei anscheinend an bestimmte (Wander-) Züge gebunden.
Bei der Staumauer geht es dann auch schon in die zu Beginn bewaldete Schlucht hinein, wo bald die ersten Holzstege auftauchen.

Diese gesicherten Stege und Brücken sind für diesen Abschnitt des Naturparks charakteristisch. Auf ihnen passiere ich den Kienbachfall und später auch den beeindruckenderen Lassingfall, von dem ich allerdings kein brauchbares Foto zusammenbringe. Ab der Brücke oberhalb des Falls wird der Weg felsiger und steiler. Auf dem Weg hinunter wird die Aussicht auf das herabstürzende Nass von einigen Felsdurchgängen gestört.

Sobald diese hinter mir liegen, trabe ich dem nun gemächlicher dahinfließenden Bach entlang bis zum tiefsten Punkt des von mir an diesem Tag durchwanderten Canyonsystems. Dort – am Zusammenfluss von Erlauf und Lassingbach – befindet sich das öffentlich zugängliche Kraftwerk Wienerbruck. Das lasse ich angesichts des starken Andranges diesmal aus und wandere zügig ins leicht ansteigende Tal des Ötscherbaches hinein, des öfteren auch wieder auf Holz.

Mannchmal ist der Pfad so schmal, dass der Gegenverkehr abgewartet werden muss – und dieser wird ständig mehr. Das ist ein Indiz dafür, dass die Jausenstation Ötscherhias nicht mehr weit ist. Die rege Betriebsamkeit dort lässt mich am diesseitigen Ufer des Ötscherbaches verbleiben und weiterziehen. Beim Ötscherhias könnte man bereits wieder aus dem Graben aufsteigen und oben am Hagengut vorbei zur Erlaufklause zurück gehen, womit die kleine Runde durch die Ötschergräben vollendet wäre.

Derartiges kommt mir weder vor noch während der Tour in den Sinn, denn mein Ziel an diesem Tag ist das Schutzhaus Vorderötscher. Dafür muss ich erst einmal durch den Hauptgraben in Richtung Westen.

Beim sehenswerten Mirafall komme ich dann auch zu einem brauchbaren Wasserfallfoto. Dabei habe ich Glück, dass mir die zahlreichen Touristen vor Ort nicht ins Bild laufen.

Obwohl mir die Karte suggeriert, dass mein Weg in gerader Richtung weiter verläuft, wende ich mich beim Holzsteg über den Moisengraben eher nach links.

Der Weg schmiegt sich von da an noch enger an den Fels.

Vorübergehend verengt sich auch die gesamte Schlucht, ich bin schwer beeindruckt.

Bei der nächsten Wegteilung genehmige ich mir einen dreiminütigen Abstecher zum Schleierfall.

Wieder zurück bei besagter Wegteilung, beginne ich den Aufstieg entlang des Greimelbaches. Was mich besonders freut: Der Weg ist hier über weite Strecken schattig, so dass das Schutzhaus Vorderötscher nicht zwangsläufig nur mit hängender Zunge erreichbar ist. Ein Blick zurück lohnt jedenfalls, erhebt sich der Ötscher doch majestätisch über dem eben durchschrittenen Wald.

Nach einem letzten Anstieg über eine Weide darf ich mich an einem der Tische vor dem Schutzhaus niederlassen. Zu diesem Zeitpunkt bin ich sicher schon über vier Stunden ohne Pause unterwegs.

Den Rückweg lege ich so an, dass ich nicht auf gleichem Weg zur Mariazellerbahn zurückgehe. Weil der Weg über die Gemeindealpe zu weit ist, bleibt nur noch der Marsch über die Forststraße. Diese bietet eigentlich nicht allzu viel, ich benutze sie nur deswegen, um zu einer vernünftigen Zeit wieder heim zu kommen. Eines der wenigen fotografischen Highlights ist die Gemeindealpe.

Der Brotlerriegel und der Pfarrerkogel werden umgangen. Beim Mühlbach trifft der Weg, der von der Jausenstation ‚Ötscherhias‘ heraufführt auf die Forststraße. War ich vom Schutzhaus Vorderötscher bis hierher alleine unterwegs, laufe ich ab hier wieder mit der Wanderkarawane mit. Vorbei am „Hagengut“ gelange ich an den Erlaufstausee und zu meinem Leidwesen gelingt beim See neuerlich kein brauchbares Foto.

Gut getimed komme ich bei der Hst. Erlaufklause an, zuletzt noch über eine steile Rampe. Was ich mir erspart habe, indem ich die größere Runde durch die Ötschergräben gegangen bin, merke ich erst hier, als ich sehe, welche Menschenmassen auf den Zug warten.

Mit den beiden Runden durch die Canyonlandschaft im Ötscherland ist für jeden Wanderer etwas dabei. Für die kürzere Tour sollte man etwa drei Stunden Wegzeit einplanen, für die längere – also die von mir gewählte – sechs bis sieben Stunden. Trittsicherheit ist bei Nässe vor allem auf dem Abschnitt unterhalb des Lassingfalls sowie vom Kraftwerk Wienerbruck bis zum Mirafall erforderlich.
Einkehrmöglichkeit: Naturparkzentrum in Wienerbruck, Jausenstation Ötscherhias, Schutzhaus Vorderötscher;
Ein herrlicher Wandertag geht damit zu Ende. Die Canyonlandschaft sieht mich sicher wieder, wenn auch das nächste mal vielleicht nur aus der Distanz. Das könnte dann nämlich am Nord-Süd-Weg von der Gemeindealpe aus sein.
Ein Gedanke zu „Niederösterreichs „Grand Canyon“ – ein Streifzug durch die Ötschergräben“