Ich bin dann mal … in Wolfsthal! Dieser Gedanke schießt mir bei meiner Ankunft am Bahnhof des östlichen Vorpostens zur Slowakei durch den Kopf. Der Eindruck, den ich von Wolfsthal habe, deckt sich in etwa mit meinen Erwartungen: eine langgezogene Straße, der Bahnhof und die Kirche. Aber immerhin ist bereits das erste Gotteshaus am Weg dem heiligen Jakobus geweiht. Und ein Schloss (Walterskirchen) hätte ich hier auch nicht unbedingt erwartet.

Für mich geht es zuerst darum, den „Weg“ korrekt aufzunehmen, womit sich sofort die Frage nach den möglichen Markierungen stellt. Jakobsmuscheln, gelbe Pfeile, Lindenthal-Holzpfeile und gelbe Tafeln in unterschiedlicher Länge und Breite stehen zur Auswahl. Je weiter ich auf dem Österreichischen Jakobsweg nach Westen voran komme, desto mehr orientiere ich mich an der neueren gelben Beschilderung, es sei denn, dass auch im jeweils verwendeten Führer davon abgeraten wird – Peter Lindenthal tut dies ohnehin permanent.


Den Anfang macht eine riesige Jakobsmuschel am Bahnhofsvorplatz, die ich allerdings eher der Kategorie „Willkommensgruß“ zuordne. Einige wenige Schritte und ich stehe vor der oben erwähnten Kirche, die leider verschlossen ist. Den ersten Stempel muss ich mir darum beim hiesigen Gemeindeamt besorgen. Kaum ist das erledigt, befinde ich mich schon mitten im Camino-Abenteuer und ziehe zur Donau weiter.

Ein erster Höhepunkt ist die Mündung der March in die Donau. Hoch über dieser Einmündung steht die Ruine Theben auf slowakischer Seite am Beginn der Hainburger Pforte. Zeitweise ist man hier im urigen Auwald unterwegs, später auch im Nationalpark Donauauen. Dort, wo der Braunsberg in die Donau abfällt, befindet sich die Ruine Röthelstein. Ich habe von dort aus gute Sicht auf den Fluss und die Stadt Hainburg.

Hainburg an der Donau ist die erste Stadt, wo ein Abstecher ins Zentrum hinein lohnt. Durch das Fischertor und die Blutgasse gelange ich zur Kirche am Hauptplatz (St. Philippus und St. Jacobus d. Jüngere). Bis Hainburg verlaufen beide Wegbeschreibungen parallel, dann wendet sich Lindenthal mehr der Donau und deren Treppelwegen zu, während man sich im Verlag aus dem Hause Conrad Stein eher an der historischen Route der Pilger orientiert. Die alten Pilgerwege sind heute allerdings allesamt gut ausgebaute und verkehrsreiche Straßen, im konkreten Fall die B9.

Von Hainburg bis Fischamend sehe ich mir im Laufe der Jahre beide Wegvarianten an und komme zu folgendem Urteil: Die neuere, sich an der Bundesstraße orientierende Wegführung gefällt mir überhaupt nicht! Lange gerade Schotterpisten zickzack in Umwegen durch eine Gegend ohne Höhepunkte lassen das Pilgerherz nicht gerade höher schlagen. Ich finde die Wegführung von Peter Lindenthal am Treppelweg entlang der Donau jedenfalls um einiges sympathischer. Die wenigen Tage im Jahr, an denen der Weg wegen Hochwasser gesperrt ist, stören da nicht weiter.
Doch zurück nach Hainburg bzw. zum nächsten Ort Bad Deutsch-Altenburg. Hier leiste ich mir einen Ausflug zur sehenswerten romanisch-gotischen Pfarrkirche Maria Himmelfahrt.

Petronell ist bekannt für die Ausgrabungen der früheren Römerstadt Carnuntum.


Für deren Besuch bleibt jedoch keine Zeit, ich muss weiter am Waldrand entlang nach Wildungsmauer, wo auch meine erste Etappe ihr Ende findet. Die St. Nikolaus-Kirche zeichnet sich durch ihren angeblich nirgendwo authentischeren romanischen Gesamteindruck aus. Die um einiges länger wirkende Wegvariante führt ebenfalls an dieser Kirche vorbei. Das zum Archäologiepark Carnuntum gehörende Heidentor ist der einzige Höhepunkt entlang dieser Route, sonst nur ein Windpark und ein zufällig feldarbeitender Bauer auf seinem Traktor. Fertig.
Erwähnenswert ist, dass der Regionalzug, mit dem ich zu meiner zweiten Etappe anreise, nur meinetwegen einen außerplanmäßigen Halt in Wildungsmauer einlegt. Dort angekommen, geht es auch schon zum Treppelweg hinab, auf dem ich bis zum Abzweig nach Maria Ellend verbleibe. Aulandschaft wohin das Auge reicht begleitet mich auf diesem Abschnitt.

Wer nicht den Treppelweg benutzt, wird – so wie ich – bis Fischamend kaum einen Platz zum Verweilen finden, denn Schotterwege, Schottergruben und Straßen bringen den Pilger bis Maria Ellend. Das ist auch der Grund dafür, dass ich diesen Abschnitt ab Petronell ohne Pause in viereinhalb Stunden durchlaufe. Kurz nach Maria Ellend vereinigen sich beide Wege wieder und streben am Lauf der Fischa entlang Fischamend zu.
Als sehr angenehm habe ich den Uferweg an der Fischa entlang in Erinnerung. Knapp eine Stunde bin ich hier unterwegs, dann ist Fischamend erreicht. Bei der Pfarrkirche St. Michael vorbei wende ich mich bald wieder der Donau zu. Auf Wald- und Treppelwegen stoße ich nun auf die Einmündung der Schwechat, welche mich in Richtung Mannswörth „abdrängt“. Immer an der Uferpromenade der Schwechat entlang bis zum Schwechater Hauptplatz, dann stehe ich vor der Jakobskirche von Schwechat, die nach der neuen Wegführung etwa 2,5 Kilometer abseits des Weges liegt.

Hier endet auch der erste Abschnitt des Österreichischen Jakobsweges, welcher „Römerland-Carnuntum“ genannt wird.
Zu jener Zeit, als ich hier vorbeikomme, stellt sich noch die Frage, wie ich als Jakobspilger am besten durch die Großstadt Wien komme. Die Empfehlungen reichen vom rustikalen „Augen zu und durch“ bis zur südlichen Umgehung der Stadt entlang des Liesingbaches oder es wird auch zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel geraten. Mittlerweile hat sich ein Verein „Jakobsweg Wien“ konstituiert, welcher es sich u. a. zur Aufgabe macht, einen offiziellen Weg durch Wien zu kreieren und auch zu beschildern. Gerade heute, wo ich diese Zeilen schreibe, werden die letzten Schilder in der Stadt montiert. Der offizielle Weg heißt jetzt auch „Jakobsweg Wien“. Er führt jetzt über den Alberner Hafen und das Kraftwerk Freudenau sowie über die Donauinsel nach Kaisermühlen zur Herz Jesu-Kirche.

Weiter geht man über die Lassallestraße und die Praterstraße zum Schwedenplatz, von wo man über die Rotenturmstraße zum Stephansplatz im Stadtzentrum gelangt. Die Strecke von Schwechat in die Wiener City erledige ich erst neulich. Seinerzeit steige ich am Stephansplatz wieder in den Österreichischen Jakobsweg ein, wobei ich allerdings anmerken muss, dass mir mittlerweile auch die Umgehung der Stadt entlang des Liesingbaches bekannt ist.

Vom Stadtzentrum bis zur Westausfahrt reiht sich nun eine Sehenswürdigkeit an die andere. Graben, Kohlmarkt, Hofburg, diverse Museen und die innere Mariahilfer Straße liegen am Weg. Wenn ich nicht selbst in dieser Stadt leben würde, müßte ich meinen Aufenthalt hier um einiges verlängern, um mir das alles ansehen zu können. Über die äußere Mariahilfer Straße und die Linzer Straße gelange ich zum Technischen Museum. Peter Lindenthals Vorschlag folgend durchquere ich den Auer-von-Welsbach-Park in seiner Diagonale uns stehe somit vor der Pforte des Schönbrunner Schlossparkes. Für Interessierte gäbe es beim Museum auch die Möglichkeit, einen Abstecher zur Penzinger Jakobskirche beim Penzinger Bahnhof zu riskieren.
Ob die neu angebrachte Beschilderung in den Schlosspark hinein oder außen herum zum Hietzinger Platz verweist, ist mir (noch) nicht bekannt. Ich entscheide mich für den Spaziergang durch den Park, weil es dort einfach ruhiger ist – trotz der Touristen beim Schloss. Hier herinnen zeigt sich der Frühling bereits in seiner ganzen Pracht.

Hier ließe es sich einige Zeit verweilen, doch ich muss wieder hinaus, denn meine dritte Tagesetappe soll mich noch bis nach Purkersdorf führen. Die erste Station auf dem restlichen Weg ist der schon erwähnte Hietzinger Platz, wo ich mir noch das Innere der Wallfahrtskirche „Maria Geburt“ ansehe. Der grauslichen – weil verkehrsreichen – Hadikgasse weiche ich über die lange Auhofstraße aus (das ist mittlerweile auch der offiziell ausgeschilderte Weg). In Auhof wechsle ich dann auf die andere Seite der Autobahn A1 und des Wienflusses. Für kurze Zeit tut sich vor mir eine an dieser Stelle nicht erwartbare kleine Aulandschaft auf. Wolf in der Au wird dieses Gebiet genannt, das ich nun durchquere und bald am Kloster in Mariabrunn vorbei komme. Bis nach Purkersdorf zum Hauptplatz, wo auch der „Jakobsweg Wien“ endet und der Wien-Umgehungsweg wieder in den Jakobsweg einmündet, ist es nicht mehr weit und ab Purkersdorf-Sanatorium wird dabei im wesentlichen der alten Trasse der Westbahn gefolgt.
Der Jakobspilger Paul Baumann hat den historischen Jakobsweg durch Wien recherchiert. Diejenigen, die es interessiert, können sich das Ergebnis hier durchlesen.
Bis hierher bin ich nun bereits gut 60-70 Kilometer gepilgert und doch dem ‚Ende der Welt‘ in Galicien bisher kaum einen Schritt näher gekommen, wenn man meine Wohnungstür als Ausgangspunkt ansetzen würde. Ziehe ich den gesamten Camino bis Spanien durch, droht das eine eher zähe Angelegenheit zu werden. Schlappe 3000 + x Kilometer warten da noch auf mich.
Ein Gedanke zu „„Auf dem Weg“ zu mir nach Hause“