Die Begehung einer Nord-Süd-Strecke unter den großen zehn österreichischen Weitwanderwegen steht bereits seit geraumer Zeit auf meiner To-do-Liste. Nun gut, der Ostösterreichische Grenzlandweg wäre ja auch eine solche, wenn man ihn als halbe Sache – eben ohne Alpenüberquerung – durchgehen lässt, aber eben keine echte Nord-Süd-Verbindung. Zwei entsprechende Wanderbücher des OeAV besitze ich schon, weshalb vorerst nur diese beiden Wege für mich in Betracht kommen – nämlich der Nord-Süd-Weg mit der Nummer 05 sowie der Eisenwurzenweg mit der Wegnummer 08. Letzterer wird es dann auch, was dem Umstand geschuldet ist, dass ich zusätzlich noch Wanderliteratur zum Niederösterreichischen Landesrundwanderweg mein eigen nenne und ich wegen des über neun Wandertage identischen Wegverlaufes beider Wege den Landesrundwanderweg praktischerweise gleich mitnehmen kann. Weil manche mit dem zweigleisigen Weitwandern anscheinend (für sich selbst) ein Problem haben, sei an dieser Stelle angemerkt, dass dies auch bei mir die Ausnahme bleiben soll und nur unter gewissen Voraussetzungen ein Thema ist.
Knapp drei Wochen (Urlaubs-)Zeitbudget stehen mir von Ende August bis Mitte September zur Verfügung, doch der Start mag nicht so recht klappen. Im Raum Litschau gibt es in den ersten Tagen meines Urlaubs keinerlei freie Unterkünfte. Das liegt daran, dass die Privatvermieter Bauarbeiter beherbergen (müssen?) und einige Gasthöfe sich nach dem Hochsommer eine Urlaubswoche gönnen. Ein anderer Startpunkt als am nördlichsten Punkt des Landes kommt für mich nicht in Frage und mit dem Südende des Eisenwurzenweges habe ich mich bis dato noch gar nicht befasst.
Hätte ich die zur Verfügung stehende Zeit voll nützen können, wäre Judenburg in Reichweite gewesen. So komme ich allerdings erst am 05.09. zum Startpunkt, womit das Ziel ein wenig zurückgeschraubt werden muss: Hollenstein an der Ybbs. Das ist auch jener Ort, wo sich der Eisenwurzenweg und der Niederösterreichische Landesrundwanderweg (im folgenden kurz NÖLRWW) wieder trennen. Aber genug geredet, jetzt wird gewandert!
Strecke: Haugschlag – Grenze – Haugschlag – Litschau, 16 km, Aufstieg: 136 Hm, Abstieg: 73 Hm;
Tag der Tour: 05.09.2018;
Im wesentlichen stehen mir zwei öffentliche Verkehrsverbindungen ins nördlichste Waldviertel zur Verfügung. Um längere Wartezeiten beim Umsteigen zu vermeiden, entscheide ich mich gegen die Franz-Josefs-Bahn nach Gmünd und nehme den direkten (aber für mich teuren) Bus nach Litschau. Ein weiterer Bus befördert mich dann noch die restlichen paar Kilometer bis zum Haugschlager Gemeindeamt, wo ich auch sogleich den ersten Stempel für mein Wanderbuch (NÖLRWW erst ab Gmünd) einhole.
Um zum geografisch nördlichsten Punkt von Österreich zu gelangen, begebe ich mich Richtung Grenze und komme dabei durch den zu Haugschlag gehörenden Weiler Rottal. In einer scharfen Linkskurve kurz dahinter befindet sich ein eher seltsamer hölzener Wegweiser mit tausende Kilometer entfernten europäischen Hauptstädten, wie Moskau etc..

Die Entfernung zur Grenze zu Tschechien wird allerdings nicht mehr in Kilometern gemessen, sondern befindet sich vor mir in einem bewaldeten Graben. In letzter Zeit scheinen nicht nur Menschen diesen Ort aufzusuchen.

Die letzten paar Schritte lasse ich deswegen aber keineswegs sausen und gehe unerschrocken und mutig dem besonderen Grenzstein entgegen. Wölfe sollen ohnehin nachtaktiv sein. Der Aufenthalt bei der nördlichsten Markierung der Republik fällt dennoch kürzer aus als geplant.

Das liegt zum einen an den Regenfällen der vergangenen Tage, wodurch man sich nirgendwo hinsetzen kann, zum anderen an der für einen Mittwoch unerwartet hohen Besucherfrequenz. Sogar aus dem fernen Vorarlberg reist man hierher, um den nördlichsten Grenzstein Österreichs einer Inspektion zu unterziehen. Darum bin ich bald wieder beim Wegweiser, wo mir ein tschechischer Radtourist ungebeten irgendeine Karten-App aufschwatzen will.

Also dann nichts wie weg hier und ab nach Süden. Der Weg bis nach Haugschlag ist mir ja bereits bekannt. Was ich jedoch nicht entdecken kann, ist das nördlichste Gasthaus. Gut möglich, dass man beim Wegweiser auf der Straße noch weiter gehen müsste.

In Haugschlag genehmige ich mir zunächst einmal einen Abstecher von wenigen Minuten zum Naturdenkmal „Hutstein“. Das ist einer jener durch die Witterung besonders schön geformten Granitblöcke.

Türnau und Hörmanns bei Litschau heißen die beiden nächsten wenig interessanten Durchgangsorte. Dazwischen liegt eher einsam das Gasthaus „Sonnenhof“. Eine pausenbedingte Einkehr wäre zwar nicht nötig gewesen, aber weil es das erste geöffnete Lokal am Weg ist…

Unmittelbar nach Hörmanns schwenkt der Weg zum Herrensee hinüber, an dessen Südende Litschau liegt. An seiner Ostseite entlang ist ufernahe ein schöner Wander-/Spazierweg angelegt.

Am Strandbad Herrensee vorbei kommend erkennt man bald das Schloss von Litschau. In nur wenigen Minuten stehe ich auf dem Litschauer Stadtplatz, an dessen östlichem Ende der Weitwanderweg in Richtung Süden vorbeiläuft. Übernachtet wird in der Bäckerei Eigl in einem sehr gemütlichen Zimmer. Zuvor wird noch im Gastgarten des Gasthauses Kaufmann gut gespeist und nach erfolgter Sättigung (meine letzte Mahlzeit war ein frühes Frühstück) die Stadt im letzten Tageslicht noch ein wenig erkundet.


Dieser erste Tag eignet sich recht gut zum Warmlaufen, denn Tag Nummer zwei hat bis Gmünd eine Strecke von knapp dreißig Kilometern zu bieten. Es ist eher der Tag der Superlative: der nördlichste Grenzstein, der nördlichste Golfplatz, der nördlichste Badesee, das nördlichste Schloss (Hörmanns, nicht Litschau) … alles bezogen auf die Alpenrepublik. Nicht gesichtet werden von mir das nördlichste Wirtshaus (wäre ohnehin zu der Zeit nicht geöffnet gewesen), der nördlichste Granitblock (bei Rottal zweigt ein Wanderweg zum eine Stunde entfernten „Meridianstein“ ab), der Holzsteg über den Grenzbach und natürlich auch der Wolf. Gut möglich, dass an diesem Tag der am nördlichsten vernehmbare Fluch im Land von mir ausgestoßen wird. Irgendwo im Bereich des „Hutstein“ hat sich der Teller eines meiner Trekkingstöcke sang- und klanglos auf Nimmerwiedersehen verabschiedet.