Via Jacobi: Am Ende ein Anfang – auf dem Schwabenweg nach Einsiedeln

Nun also noch der „Schwabenweg“, dann wäre ich am Ziel! Oder auch am Start – je nachdem, von welchem Blickwinkel aus man die Jakobswege samt der zugehörigen Literatur betrachtet. Die Fortsetzung des Österreichischen Jakobsweges durch die Schweiz bis nach Einsiedeln wird zum Teil schon in den entsprechenden österreichischen Standardwerken als Anhang abgehandelt. Besonders ambitionierte Pilger, die eigentlich in Vorarlberg aufhören wollen, haben dann noch die Möglichkeit bis hinter den Etzelpass zu verlängern. Andererseits wird der Wallfahrtsort Einsiedeln erst als der eigentliche Beginn des Schweizer Jakobsweges angesehen und alles, was davor ist, nur als Zubringer bezeichnet. Womit alles, was ich bisher über den Schweizer Abschnitt beschrieben habe zwei Seiten hat.

Zügig nähere ich mich vom E-Werk kommend der Altstadt von Rapperswil-Jona. Ich habe noch ein wenig Zeit, um mir diese anzusehen. In die Pilgerherberge werde ich erst ab 16 Uhr eingelassen, also schaue ich in jedes Seitengässchen und jeden Winkel der Fußgängerzone hinein. Schloss Rapperswil mit Polenmuseum, das Kapuzinerkloster und die Johannskirche gibt es da zu sehen und vom Vorplatz des Schlosses kann man auch einen Blick über den Zürichsee nach Pfäffikon und den dahinter liegenden Etzelpass werfen. Über den See führen eine Straße, die Bahnlinie und ein Holzsteg für Fußgänger. Diesen werde ich am nächsten Tag beschreiten.

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durch die Altstadt von Rapperswil

Zuvor aber begebe ich mich zur bekannten und von zahlreichen Pilgern empfohlenen Pilgerherberge in der Seegasse. Ich werde von einer Dame herzlich empfangen. Bis 18 Uhr ist sie in der Herberge anwesend, später Ankommende sollten sie dann telefonisch kontaktieren. Ich entrichte meinen Obolus (20-25 CHF) und nehme eines der Betten in Beschlag. Die Herberge ist an diesem Tag nicht überlaufen, denn außer meiner Wenigkeit übernachten nur drei weitere Pilger hier. Zum Abendessen gehe ich aus, wegen eines sich nähernden Gewitters allerdings nicht weit weg. Immerhin kann ich noch im Freien speisen, das Lokal hat allerdings seinen Preis.

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in der Pilgerherberge von Rapperswil

Ein erster Erkundungsrundgang für den Weiterweg geht sich auch noch aus, dann kehre ich zu den anderen Pilgern zurück. Während draußen das Gewitter losbricht, ergeben sich in der Herberge interessante Gespräche. Es stellt sich heraus, dass jeder von uns den Weg auf seine eigene Art geht. Der eine kommt aus der Schweiz und macht nur auf Wochenendpilger. Am heutigen Pfingstmontag ist er hier in Rapperswil fertig und wird am nächsten Tag heimfahren. Weiters ist noch ein Niederösterreicher anwesend, der genauso wie ich den kompletten Schweizer Jakobsweg bis nach Genf  durchziehen will. Im Gegensatz zu mir ist er sportlicher unterwegs und beabsichtigt den Weg innerhalb von 14 bis 15 Tagen zu bewältigen. Für mein gedrosseltes Tempo hat er anscheinend nur Verachtung übrig (O-Ton: „Na du bist aber langsam!“). Ein jüngerer Pilger aus Deutschland hat den wohl ausgefallensten Plan von uns. Er möchte von seiner Heimat bis nach Santiago de Compostela pilgern – nicht auf den ausgeschilderten Wegen, sondern über die Berggipfel!

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Holzsteg zur Halbinsel Hurden

Frühstück gibt es in der Herberge nicht, dafür bietet sich eine nahegelegene Bäckerei mit moderaten Preisen an. Kaum in die heutige Etappe gestartet, folgt bereits der erste Höhepunkt. Der knapp ein Kilometer lange Holzsteg von Rapperswil auf die Halbinsel Hurden wurde erst 2001 wieder errichtet. Bereits bis zum Jahr 1878 befand sich hier eine Holzbrücke aus dem 14. Jahrhundert, an die heute nur noch die Brückenkapelle („Heilighüsle“) aus dem Jahr 1551 erinnert. Auf der Halbinsel wandere ich an einem Naturschutzgebiet entlang neben der Bahntrasse nach Pfäffikon hinein, womit ich die Grenze zum Kanton Schwyz überschreite. Die Stadt ist rasch durchquert und ich passiere – nun schon auf einem merklich ansteigenden Pfad – den Lützelhof, der als potenzieller Übernachtungsplatz für Pilger ausgewiesen ist. Die nun erreichte Etzelstraße kürze ich durch steile Wiesenpfade bis zum Restaurant „Luegeten“ ab. Trotz der starken Bewölkung kann ich hier die bei Schönwetter herrliche Aussicht auf den See und die Städte Rapperswil-Jona und Pfäffikon genießen.

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Aussichtspunkt „Luegeten“

Weiter steil aufwärts durch den Wald habe ich bald eine Begegnung mit einem Wanderer,  der eben eine Lungenkrebserkrankung durchgemacht hat und sich gerade in einem Gespräch mit Herrn Czermak von SILMAC befindet. Nach kurzem Kennenlernen setze ich weiter bergan fort, wo hinter der Alm Nüweid der St. Galler Weg in den Schwabenweg einmündet. Am Ende geht es noch über ein paar steilere Stufen hinauf zum Etzelpass, dem Standort der St. Meinrad-Kapelle und des gleichnamigen Gasthofes. Man mag es kaum glauben, aber der Mann mit der bedienten Lunge ist vor mir oben.

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„Tüfelsbrugg“ und Gasthaus Krone

Sofort senkt sich die nun wieder erreichte Passstraße hinab bis zum unmittelbar vor der Teufelsbrücke („Tüfelsbrugg“) gelegenen Gasthaus Krone. Bei der sehenswerten holzgedeckten Steinbogenbrücke erinnert ein Gedenkstein an den hier geborenen Arzt und Naturforscher Paracelsus (1493-1541). Mit der Brücke überquere ich die Sihl und muss mich kurz darauf entscheiden, ob ich auf dem Originalweg meist auf Straßen oder einer Variante am Sihlsee entlang nach Einsiedeln folge.

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am Sihlsee entlang

Ich entscheide mich für die Variante und habe viel Zeit, um den Weg und die Seen- und Bergwelt auf mich einwirken zu lassen. Neben dem Sihlsee bestimmen nun Großer und Kleiner Mythen sowie das schon weithin erkennbare Kloster von Einsiedeln das Panorama. Das Wallfahrer- und Pilgerzentrum betrete ich so quasi durch die Hintertür am Pilgerhaus Allegro vorbei gleich an der Seite der klostereigenen Pferdezucht („Cavalli della Madonna“). Den Namen hat der Ort wegen der Lebensweise eines Mönchs namens Meinrad (daher die St. Meinrad-Kapelle auf dem  Etzelpass) erhalten, der im Wald lebte und 861 ermordet wurde. Noch im ersten Jahrtausend ließ der Domprobst von Strassburg an der Stelle von Meinrads Behausung das Benediktinerkloster erbauen.

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die Klosteranlage in Einsiedeln

Nach dem späten Mittagessen im Migros-Restaurant beim Bahnhof checke ich im Pilgerhotel St. Joseph direkt am Klosterplatz ein. Hier werde ich freundlich aufgenommen und bekomme ein einfaches Zimmer mit direktem Blick auf den Klosterplatz, die Klosteranlage und leider auch auf die riesige Baustelle davor. Ich statte dem Kloster einen Besuch ab und mache noch eine kleine Runde durch die Stadt zwecks Erkundung des Weiterweges und Einkauf meiner Abendverpflegung. Seit Rapperswil gehe ich dazu über, das Abendessen nach Möglichkeit im Supermarkt zu besorgen. Das erspart mir zwei Drittel der Kosten.

Der Weg durch die Ostschweiz ist damit zu Ende und ein neues Kapitel auf dem Schweizer Jakobsweg kann aufgeschlagen werden. Mit dem ab Einsiedeln beginnenden „Innerschweizer Weg“ darf ich mich wohl auf die schönsten dreieinhalb Wandertage durch die Schweiz freuen.

Weglänge: 16,7 km

Höhenmeter im Aufstieg: 656m

Höhenmeter im Abstieg: 175m

(alle Angaben ohne Gewähr)

Beitragsbild: Holzsteg über den Zürichsee

2 Kommentare zu „Via Jacobi: Am Ende ein Anfang – auf dem Schwabenweg nach Einsiedeln“

  1. hallo, da du meinem Blog folgst, durfte ich auch einen Blick in deinen werfen. Da werde ich wieder hineinschauen. Mir hat dein Jahresrückblick gefallen und dein Berich über die ViaJakobi (mehr habe ich noch nicht gelesen. Schmunzeln musste ich über die Aeusserung eines Pilgers über dein Tempo. Ich selber nehme mir immer auch viel mehr Zeit beim Wandern, nehme sicher dafür mehr auf. Freue mich auf weitere Berichte von dir. Leider sehe ich deinen Namen nirgens.
    Liebe Grüsse aus Zürich Annelies

    Gefällt 1 Person

    1. Danke für deinen netten Kommentar. Der Blog ist die ewige Baustelle und auch die Via Jacobi ist bei weitem noch nicht fertiggestellt – nicht einmal noch auf meiner Facebook-Präsenz, welche du übrigens auch abonnieren kannst. So bist du früher informiert und erhältst zusätzliche Statusmeldungen. Was den Aufbau meiner Seite betrifft, werde ich mich demnächst wahrscheinlich um ein Impressum kümmern müssen.
      LG Bernhard

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