Knapp 190 Kilometer Länge, über 2550 Höhenmeter im An- und auch wieder im Abstieg und damit längst nicht so flach, wie ursprünglich gedacht – das ist der Große Tullnerfelder Rundwanderweg, der etwa um 1990 von Hans Jürgen Mayerhofer aus Absdorf initiiert wurde. In den darauf folgenden Jahren wurde der Weg recht gut markiert und beschildert, eine eigene Homepage wurde für ihn bis dato jedoch noch nicht eingerichtet.
Das Tullnerfeld zu umrunden, das denke ich mir eher spontan im letzten Herbst aus, als auf den alpinen Weitwanderwegen eher nichts mehr geht, und erkläre diese Runde hiermit zu meinem Winterwanderprojekt. Wobei man „Winter“ nicht so eng definieren sollte, denn gemeint ist natürlich das Winterhalbjahr von Oktober bis April und genau dieser Zeitrahmen sollte dann auch halten. Wettermäßig sind meine Ansprüche mit einer Ausnahme nicht sehr hoch. Wolkenbruchartiger Regen, orkanartige Stürme sowie dichter, beständiger Nebel sollten bei meinem Unterfangen aber nicht dabei sein, dann würde es schon passen. Nur die Tagesetappe von Traismauer über Stift Göttweig zur Donauwarte und weiter nach Krems an der Donau wollte ich ausschließlich bei besten Bedingungen angehen, sonst würde mir fotografisch zu vieles entgehen.

Der Rundwanderweg ist in sieben bis neun Tagesetappen machbar. Ich selbst benötige insgesamt acht Tage, um den Kreis wandernd wieder zu schließen. Bei der aktuellen Streckenführung kann man aber nicht wirklich von einem Kreis sprechen, weist der Weitwanderweg an seiner östlichen Flanke doch eine ordentliche Delle auf. Dieser Umstand ist der eher zentralen Lage der Bezirkshauptstadt Tulln geschuldet, wo ich auch standesgemäß in den Wanderweg einsteige. Prinzipiell wäre das Loslaufen allerdings überall auf der markierten Strecke möglich, sofern der Startpunkt öffentlich gut erreichbar ist. Diese Voraussetzung ist beispielsweise in Tulln, St. Andrä/Wördern, Atzenbrugg, Traismauer, Krems an der Donau und Stockerau erfüllt, die Aufzählung erhebt aber keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.

Eine konkrete Aufteilung der Gesamtstrecke auf einzelne Tagesetappen möchte ich an dieser Stelle nicht vorschlagen, das soll jeder so halten, wie er gerne möchte, meine persönliche Einteilung der einzelnen Wegabschnitte enthalte ich euch aber nicht vor:
- Tag 1: Tulln – Zeiselmauer – Greifenstein;
- Tag 2: Greifenstein – Unterkirchbach – Riederberghöhe;
- Tag 3: Riederberghöhe – Sieghartskirchen – Atzenbrugg Bhf.;
- Tag 4: Atzenbrugg Bhf. – Sitzenberg – Traismauer;
- Tag 5: Traismauer – Stift Göttweig – Donauwarte – Krems an der Donau;
- Tag 6: Krems an der Donau – Schloss Grafenegg – Kirchberg am Wagram;
- Tag 7: Kirchberg am Wagram – Absdorf – Hausleiten – Stockerau;
- Tag 8: Stockerau – Oberzögersdorf – Zaina – Tulln;
Das ist die in der vom OeAV ‚Weitwanderer‘ herausgegebenen Broschüre zum Weg beschriebene Gehrichtung, welcher ich somit ebenfalls folge. Der Große Tullnerfelder Rundwanderweg lässt sich von den Markierungen her genauso gut in der entgegen gesetzten Richtung – also gegen den Uhrzeigersinn – begehen. Diese Variante wäre dann ein wenig umständlicher in der Wanderbroschüre nachzulesen.
Wie eingangs bereits erwähnt, ist der Rundwanderweg nicht ausschließlich flach, auch wenn einem das auf den ersten Kilometern so vorkommen mag. Nach dem ersten Warmlaufen hauptsächlich auf Dammkronen an oder nahe der Donau gen Osten geht es ab Greifenstein in die nordöstlichen Ausläufer des Wienerwaldes hinauf. Dort beginnt eine recht angenehme Höhenwanderung, die im wesentlichen bis zur Riederberghöhe andauert und nur bei Maria Gugging kurz unterbrochen wird. Das bereut man jedoch keineswegs, erfolgt der Wiederaufstieg nach Unterkirchbach doch durch die liebliche Hagenbachklamm hindurch.

Höchster Punkt ist die Leopold-Figl-Warte auf dem Tulbinger Kogel, von der aus ich beinahe die gesamte bisher von mir erwanderte Strecke überblicken kann. Den anschließenden Schlenker hinunter nach Hirschengarten könnte man sich bei der Wegführung eigentlich sparen.

Wer jetzt erwartet, dass es das nach der Riederberghöhe mit den Höhenmetern war, der irrt. Der Wanderweg streift nun die nördlichsten Ausläufer des Wiesenwienerwaldes und geht immer wieder bergan und bergab. Wem sagen eigentlich die Erhebungen Auberg, Neubergen, Reidlingberg und in weiterer Folge Schiffberg oder Braunsdorfer Berg (Donauwarte; gehört nicht mehr zum Wiesenwienerwald) etwas?

Am östlichen Eingang zur Wachau habe ich Glück, dass ein Schönwetterfenster exakt mit dem Start der Marillenblüte zusammenfällt. Der Große Tullnerfelder Rundwanderweg kommt zu meiner Erleichterung nicht an die Hotspots des Marillenblüten-Massentagestourismus – wie etwa Dürnstein und Rossatz – heran, sodass ich meinen Weg ungehindert fortsetzen kann. Die volle Marillenblüte wäre dann ein Wochenende darauf zu bestaunen gewesen.

War von Tulln bis nach Mautern der Weg mit der Wegnummer 475 angeschrieben, so ändert sich die Nummer ab sofort auf 675, um damit zu signalisieren, dass man ab nun auf dem Retourweg nach Tulln ist, und der verläuft nördlich der Donau. Der „Höhenzug“ des Wagram ist die bestimmende Landschaftsform, welche der zum 675er mutierte Rundwanderweg nun mitnimmt. In den frühen Herbstmonaten müssen die von da an charakteristischen Kellergassen der Region Weinviertel für ein grandioses Wandererlebnis sorgen.

Das geht so bis ich Stockerau erreiche, wo ich zuletzt in eine urige Aulandschaft eintauche, welche den Schlussabschnitt bis zum Ziel in Tulln prägt oder der Weg ihr zumindest recht nahe kommt.

Es ist nicht ausschließlich die Natur, die für Abwechslung auf dem Großen Tullnerfelder Rundwanderweg sorgt, denn die Runde kann genauso mit einigem an Kultur und Historie aufwarten. Gleich zu Beginn, wenn man im Bahnhof in Tulln aus dem Zug fällt, ziert eine Gedenktafel das Bahnhofsgebäude und erinnert an den Maler und Zeichner Egon Schiele, der 1890 in diesem Haus geboren wurde. In Tulln wurde deshalb auch ein „Egon-Schiele-Weg“ durch die Stadt angelegt, dessen Markierungen im Boden eingefasst sind.

Aus römischen Grenzkastellen am Limes gehen die Orte Tulln, Zeiselmauer, Traismauer und Mautern hervor. Besonders in Zeiselmauer ist davon noch einiges am Rande des Wanderweges zu sehen. Weitere kulturelle Highlights sind die Burg Greifenstein, Relikte aus der Türkenbelagerung Wiens im Wienerwald (Stichwort: Klosterruine, Marterl im Jammertal), das Barockstift Göttweig, die Altstadt von Krems an der Donau bzw. dem Stadtteil Stein und die Schlossanlage Grafenegg.

Historisch von Interesse ist die Gedenkstätte an den hier geborenen bekannten Politiker Leopold Figl mit dem angeschlossenen Museum in Rust im Tullnerfeld. Ein anderes Museum ist dem berühmten Musiker und Komponisten Franz Schubert gewidmet und befindet sich im Schloss Atzenbrugg.

Trotz der eingangs erwähnten Höhenmeter (in meinem Fall also durchschnittlich gut 300 je Wandertag) ist der Rundwanderweg in seiner Gesamtheit als unschwierig zu bezeichnen und ganzjährig begehbar – eben wie geschaffen für ein „Winterprojekt“, bei dem ich problemlos für Tagestouren zum Weg und am selben Tag auch wieder heim komme. Wer etwas weiter entfernt zu Hause ist und das Tullnerfeld reizvoll findet, der kann die Runde auch am Stück gehen. Die Quartiersuche könnte zwar vor allem im Winterhalbjahr nicht immer einfach werden, gröbere Probleme sehe ich jedoch nicht. Zur Not hat man auch immer wieder einen Bahnanschluss, mit dessen Hilfe man die Unterkunft auch abseits vom Wanderweg suchen kann. In Orten, wie Tulln, Krems, Stockerau, etc. hat man ohnedies stets gute Chancen, ja sogar St. Pölten wäre in Reichweite.
Der Große Tullnerfelder Rundwanderweg 475/675 ist bei weitem nicht isoliert im Gelände angelegt, sondern er hat abschnittsweise Gesellschaft von anderen Weitwanderwegen oder Ähnlichem. Erwähnenswert sind da der Donauradweg gleich nach dem Verlassen von Tulln, der Voralpenweg 404 bzw. dessen Wienerwaldspange 444 zwischen Hadersfeld und der Riederberghöhe, der Österreichische Jakobsweg zwischen dem Stift Göttweig und Mautern sowie dessen Weinviertler Variante zwischen Krems an der Donau und Stockerau. Nicht zu vergessen ist auch ein kurzes Stück des Niederösterreichischen Mariazellerweges 06 zwischen Mautern und Egelsee, und wem die Umrundung des Tullnerfeldes zu weit ist, der kann sich auch mit den kürzeren Ausgaben T1 bis T5 begnügen.
Mit diesem Beitrag ist eine grobe Übersicht über den Weg und meinen persönlichen Zugang zu diesem entstanden. Deutlich mehr Fotos, als von mir erwartet, wurden gemacht und warten darauf von mir in weiteren Beiträgen zum 475/675er verarbeitet zu werden. Ob das so kommen wird, ist noch unklar, zu weit bin ich mit der Aufarbeitung meiner Wanderungen und Reisen im Rückstand, weshalb ich mich vorerst mit diesem Artikel begnüge.
Anm.: Die Fotos im Beitrag sind nicht chronologisch angeordnet, sondern dort platziert, wo sie im Kontext gut hineinpassen.