Das Frühstück auf der Nebelsteinhütte ist immer wieder ein Genuss. So reichhaltig und vielfältig wird man in kaum einer Hütte versorgt und für den Tag gestärkt. Am Frühstückstisch treffe ich auch den Nord-Süd-Weitwanderer wieder. Ob es sich wohl ergeben wird, dass man die eine Stunde gemeinsamen Weges bis zum „Eisenwerk“ zu zweit in Angriff nimmt. Derweil nimmt einer der beiden Hüttenhunde unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Der jüngere Vierbeiner versucht dem Älteren das Leben möglichst schwer zu machen und neckt diesen permanent. Dazwischen schießt er auch unter den Tischen und um unsere Beine herum hin und her. Strike and go! – so scheint seine Taktik zu lauten und diese ist wegen des großen Erfolges wahrscheinlich bis zum heutigen Tage prolongiert.
Trotz der großartigen Darbietung werde ich zeitgerecht mit dem Frühstück und dem Packen fertig. Wie es dem Weitwanderkollegen damit geht bekomme ich allerdings nicht mit. Nach ein paar Minuten des Wartens verabschiede ich mich von den Hüttenwirtinnen und gehe meines Weges, der mich heute bis nach Groß Gerungs führen soll.

Bekannt ist mir der erste Abschnitt bis zur Wegteilung „Eisenwerk“ bereits vom Frühjahr, als ich am Nordwaldkammweg unterwegs war. Zunächst geht es also hinunter zum Parkplatz und dem Weitwanderstein, auf welchem aber für meinen Weg anscheinend kein Platz mehr ist. Dann weiter hinab durch das sogenannte „Himmelreich“, wo zwei Wanderinnen mit ihren Pferden übernachtet haben und die eben dabei sind, ihre Zelte abzubrechen. Wenige Minuten darauf trete ich aus dem Wald und stehe vor dem Ort Althütten.

All das habe ich schon einmal gesehen, darum gleich weiter auf einem ruhigen Waldweg, der mich an den entlegenen Häusern von Friedental vorbei bringt. Auch die plötzliche Teilung des schmalen Waldpfades kann mich nicht mehr überraschen. Ich komme an eine Brücke über einen Bach, den ein Wanderer zu beobachten scheint.

Welch eine Freude ist es, in diesem den Weitwanderer von der Nebelsteinhütte zu erkennen! Hat er sich also bereits vor mir auf den Weg gemacht und wartet dankenswerter Weise hier auf mich, um den letzten Kilometer bis zur Trennung unserer Wege gemeinsam zu erwandern. Das ist kein allzu langes Vergnügen und so nehmen wir kaum zwanzig Minuten später beim „Eisenwerk“ wieder voneinander Abschied. Er zieht nach Westen, ich hingegen wende mich nach Osten und betrete somit wieder Neuland.

Einige Zeit an der Lainsitz entlang gehend erreiche ich den Harmannschlager Ortsteil Stegmühle bzw. Angelbach auf der anderen Seite der Brücke. Damit ich daran auch ja nicht vorbeimarschiere, ist die Abzweigung nach der Überschreitung der Brücke speziell gekennzeichnet. Genau umgekehrt ist es beim Verlassen von Angelbach. Wer hier der Beschilderung folgt und den direkten Weg nimmt, riskiert zumindest eine Besitzstörungsklage. Wem, so wie mir, das Risiko zu hoch ist, der nimmt gerne den gewaltigen Umweg ums nächste Hauseck herum in Kauf, um nach Bad Großpertholz zu gelangen.


Im oder am Wald bergan komme ich dann an eine kurvige Straße, die mich direkt – nun wieder bergab – zum Kurhotel von Bad Großpertholz bringt. Der Kurort ist so, wie man sich einen Kurort vorstellt, nämlich ruhig und verschlafen. Daher steige ich ohne Einkehr am anderen Ortsende wieder einen Karrenweg bergan. Auf der Anhöhe finde ich eine für ein Päuschen passende Sitzgelegenheit vor und verweile hier für zehn Minuten. Der Weg wird danach zum Wiesenpfad und zieht steil in den Steinbachgraben hinab. Nun folgt der schönste Abschnitt der heutigen Tagesetappe, denn nach einiger Zeit auf der den Graben durchziehenden Forststraße wendet sich der Eisenwurzenweg nach links den steilen Hang hinauf zum Steinhofbauern, wo ich nochmals versuche, den Nebelstein zu erspähen.

Hat man einmal die Trasse der Waldviertler Schmalspurbahn erreicht, so folgt ihr der Weg und man umgeht die Sonnleiten – auch „Kleiner Semmering“ genannt. Die Bezeichnung ist, wie ich finde, nicht unpassend, denn sogar einen „Bahnwanderweg“ hat man in Anlehnung an dessen großen Bruder an der niederösterreichisch-steirischen Grenze angelegt.

Knapp vor Bruderndorf ist dann Schluss mit dem Semmering-Feeling und ich befinde mich wieder auf breiteren Wegen. Vorbei am Stein, der die transkontinentale Wasserscheide markiert, schwenke ich auf den Umgehungsweg von Bruderndorf ein, der mich durch zahlreiche Wiesen- und Feldfluren leitet.

Besser jedenfalls als die Straße, die mir vor Langschlag jedoch nicht gänzlich erspart bleibt. Für gut hundert Meter habe ich einem solchen Asphaltband zu folgen, um auf dessen anderen Seite in den zum Ort hinabführenden Waldweg einbiegen zu können. Recht steil umkurvt der Weg am Ende ein Gehöft, dann ist die Hauptstraße von Langschlag erreicht. Im Ort wird gerade ein Frühschoppen geboten, ich hingegen suche mir für die Mittagspause einen ruhigeren Platz in einem Café.

Nach Kaffee und Kuchen setze ich meine Wanderung auf einem netten Fußweg durch den Ortskern fort, der mich in weiterer Folge wieder zur Straße und zur jungen Zwettl bringt.

Gleich danach lasse ich die Straße für längere Zeit hinter mir und betrete nach einem Wiesenweg wieder Waldgebiet, wo es kurz eine Geländestufe aufwärts geht und ich mich auf einem Feldweg den Höfen von Kasbach nähere. Kasbach ist auch die letzte Siedlung vor Groß Gerungs, dazwischen befinden sich nur Wald, Felder und Wiesen. Durch die „Waldlüß“ am Hochberg vorbei, das bedeutet, zumeist auf schattigen Waldwegen unterwegs zu sein. Wanderer, die noch im Spätsommer durch das Waldviertel streifen, wissen das zu schätzen. Weil aber alles einmal ein Ende hat und ich irgendwann wieder unbeschattet zwischen den Feldern stehe, beschleunige ich meine Schritte auf den letzten Kilometern nach Groß Gerungs hinab. Nur wenige hundert Meter nach dem Verlassen des Waldes gewahre ich in einer Kurve erstmals mein Tagesziel in der Senke unter mir.

Weich ist der Abstieg keinesfalls, haben sie mir doch bis zum Ende der Etappe den teergrauen Belag ausgerollt. Etwas Verwirrung gibt es dann noch bei meiner Ankunft in Groß Gerungs, wo bei einem Kreisverkehr und einem benachbarten Parkplatz die Beschilderung nicht ganz klar ist. Dieser Umstand beschert mir eine (freiwillige) Ehrenrunde, womit ich behaupten kann, nichts vom Weg ausgelassen zu haben.
Für all jene Leser, die es interessiert: Diagonal den Parkplatz queren und auf einem Fußweg hinter den Häusern durch einen Durchlass bei einem öffentlichen Gebäude (welches genau weiß ich nicht mehr) zum Marktplatz und dort rechts weiter. Stand: Sept. 2018;

Ich wende mich aber nach links zu meinem Quartier, welches an diesem Wochenende eine Hochzeitsgesellschaft beherbergt und ich der einzige nicht involvierte Gast bin. Es könnte laut werden, warnt man mich vor, doch allzu viel bekomme ich nächtens davon nicht mit.
Tag Nummer fünf wird mich bis nach Schönbach führen und auch keine Minietappe werden. Dafür wird es ab Arbesbach ein Wiedersehen mit dem Nord-Süd-Weitwanderweg 05 geben. Mal sehen, ob mir dort irgendwo ein bestimmter Weitwanderer über den Weg läuft.