Am nächsten Morgen ist man auch auf seiten der Wirtsleute verwundert, dass ich so gar nichts vom Treiben der frisch Vermählten und ihrer 140 Gäste mitbekommen habe. Die geglückte Regeneration von den Strapazen des Vortages kommt mir für diesen Tag recht gelegen, habe ich doch einiges an Kilometern von Groß Gerungs bis nach Schönbach abzuspulen. Meinen Rucksack gepackt und geschultert stehe ich daher um etwa acht Uhr abmarschbereit auf dem Marktplatz vor dem Gasthof Hirsch. Zunächst steige ich gemächlich auf die südwestlich von Groß Gerungs liegenden Anhöhen bergan, von wo aus ich den Ort ein letztes Mal hinter mir in einer Mulde sehe. Im weiteren Verlauf folge ich einer schmalen Straße nach Klein-Reinprechts. Hier kommen mir einzeln einige Spaziergänger entgegen, von denen einer sofort erkennt, dass ich mit meinem Zehn-Kilo-Rucksack (Anm.: großzügige Schätzung – ich erinnere mich, dass es etwas weniger Gewicht war) keiner von ihnen bin. An welche Abteilung bin ich da geraten? Ein Blick auf die Karte zeigt mir die Lösung: Südlich von Groß Gerungs befindet sich die Anlage eines Rahabilitationszentrums, deren Patienten hier ihre Morgenrunden drehen. Wir wünschen uns also gegenseitig „Frohes Wandern“ bzw. „Gute Genesung“ und gehen unserer Wege. Meiner führt direkt in das überschaubare Klein-Reinprechts hinein. Gleich am Ortseingang kommt mir dieser optisch ansprechende Kapellenbildstock unter.

Die schmale Straße verlasse ich gleich am Ortsende und wende mich über einen Waldpfad und später einen Forstweg dem Ort Marharts zu. Dabei streife ich auch ein zu Kothores gehörendes Anwesen, in dessen Nähe ich an einer Wand einzelner, wie säuberlich aufgeschlichtet wirkende, Granitblöcke vorbeikomme. Noch vor der „Klauskapelle“ zweigt der Eisenwurzenweg nach links bergan und steiler werdend in den Wald Richtung Marharts ab. Vom Weg bietet sich kurzzeitig auch eine Aussicht zurück auf Klein-Reinprechts. Marharts zeigt sich mir eher verschlafen, so dass ich hier nicht verweilen mag. Vorübergehend ersetzen nun ausgedehnte Maiskulturen den Wald.

Nach der nächsten Kuppe, auf der der Weiler Kinzenschlag umgangen wird, erreiche ich die letzten zum Weiler gehörenden Häuser und den Gasthof Einfalt. Dieser wäre als Ersatzquartier in Frage gekommen, wenn mir die Hochzeitsgesellschaft in Groß Gerungs kein Bett mehr übrig gelassen hätte. So mache ich nur eine kurze Trinkpause dort.

Klein-Wetzles liegt noch ein paar Meter höher als der Gasthof. Beim Anstieg blicke ich einmal über meine rechte Schulter und komme ins Sinnieren, ob man von hier aus den Nebelstein in der Ferne noch erkennen könnte. Ich versuche den bisherigen Weg in der Landschaft nachzuvollziehen und komme zu dem Schluss: an klaren Wintertagen vielleicht, jetzt im Spätsommer oder bei feuchter Nebelluft sind eher Zweifel angebracht.

Der Weiterweg nach Griesbach hinunter ist so, wie man sich das Waldviertel vorstellt. Feldwege schlängeln sich durch Waldgebiete und dazwischen über freie Flächen auf sanften Höhenzügen. Um eine verkehrsreichere Straße zu meiden, umgeht mein Weg den Höllgraben und nähert sich Griesbach entlang des Langaubaches. Der Ort ist Kontrollstelle für den 08er und so begebe ich mich in ein einfaches Wirtshaus im Zentrum. Die schon in die Jahre gekommenen, weißen Schilder mit grünem Rand, welche an den Hauswänden angebracht sind, faszinieren mich immer wieder aufs Neue.

Die nächste Kontrollstelle in Arbesbach ist nicht mehr weit und dort beabsichtige ich, wieder einzukehren und Mittagspause zu machen. Den Turmrest der Ruine der ehemaligen Kuenringerburg auf dem Schlossberg kann man schon erkennen, doch dessen scheinbare Nähe täuscht den nach Nahrung und Flüssigem lechzenden Wanderer. Einige Feld-, Wiesen- und Waldwege sowie Straßen liegen noch dazwischen. Immerhin bietet sich mir bei der Annäherung an Arbesbach ab Kamp diese schöne Perspektive.

Wer Zeit dafür hat, kann den Horizont mit der Besteigung der auf dem Turmrest errichteten Aussichtsplattform erweitern, was auch empfohlen wird. Damit sind vor allem jene Wanderer angesprochen, die eine Übernachtung in Arbesbach beabsichtigen. Wer so wie ich ab Mittag oder dem frühen Nachmittag noch eine ordentliche Wegstrecke gehen muss, wird kaum Zeit dafür finden, denn die als „Stockzahn des Waldviertels“ bezeichnete Burgruine liegt nicht direkt am Weg. Inklusive Besteigung und Aufenthalt sollte man schon zusätzlich eine bis eineinhalb Stunden einplanen und obendrein ist es abends vielleicht noch schöner, dort oben zu verweilen. Der Schlüssel zur Aussichtsplattform ist jederzeit in der Bäckerei Huber (Arbesbach 27; geringes Entgelt) entlehnbar.

Im Gasthaus Höfinger finde ich noch das Ambiente eines einfachen Dorfwirtshauses vor, welches Hausmannskost zu günstigen Preisen anbietet.

Kurz nach dem Verlassen von Arbesbach und kurz vor dem Galganberg stoße ich wieder auf den Nord-Süd-Weitwanderweg. Gemeinsam verlaufen die Wege bergan in Richtung Gehöft „Oberbuchegg“. Rasch passiere ich den Hof und bin – falsch! Nach dem Ausbleiben der Markierungen und einem genaueren Kartenstudium drehe ich mich um und kann einen schwach ausgeprägten Pfad quer über eine Wiese unterhalb des Gehöftes erst jetzt erkennen. Also geht es wieder gut dreihundert Meter retour bis zu einem mit mehreren Markierungstafeln „geschmückten“ Telegrafenmast hin. Die Markierungen sah ich zuvor wohl, den Pfad jedoch nicht und so eindeutig weisen sie nicht in diesen, weshalb man auch annehmen könnte…

Um nach Altmelon zu kommen, habe ich zwei namenlose Kuppen zu überwinden oder genauer zu umgehen. Nach der ersten streife ich am Gehöft „Oberreith“ vorbei, von wo aus ich bereits beinahe bis zum Hof „Schindleck“ bei der nächsten Kuppe sehen kann. In diesem Abschnitt finde ich die urigsten und naturbelassensten Pfade des gesamten Tages vor. Über die „Bärenwald-Strecke“ durchquere ich ein kurzes Waldstück. Eine Rechtskurve später liegt Altmelon vor mir, wo mir der „Kirchenwirt“ (Lichtenwallner) Gelegenheit für eine Jause gibt. „Nord-Süd“-Wanderer kommt mir bisher keiner unter.

Nach eingeholtem Kontrollstempel gehe ich die letzten sieben Kilometer des Tages an. Zunächst auf einer Straße aus Altmelon heraus in die sogenannte Hauslüsse, wo auch gerne schnell gefahren wird, dann in einen nach Perwolfs führenden Güterweg hinein und bald darauf bin ich wieder auf einem Naturpfad unterwegs, wo man genau auf die Markierung achten sollte. Ich erinnere mich, dass der Weg einmal unvermittelt eine Sträucherzeile an einer Böschung durchquert. Die entsprechende Markierung befindet sich auf einem Stein mitten in den Sträuchern und ist weder von der einen, noch von der anderen Seite erkennbar, wenn man nicht ins Gebüsch hineingeht. Wegspuren führen auch geradeaus weiter, was darauf hindeutet, dass nicht Wenige den „Seitenwechsel“ verpasst haben dürften.

Das „Abenteuer Naturpfad“ ist bedauerlicherweise bald zu Ende und der asphaltierte Güterweg von Perwolfs nach Münzenberg erreicht. Auf diesem verbleibe ich für die nächsten paar Wanderkilometer. Er ist nicht besonders angenehm zu gehen, dafür aber zeitweise aussichtsreich, wobei der Überblick über bewaldete Kuppen dominiert.

Die besten Aussichtspunkte sind noch vor dem Eintritt in den Wald bei Perwolfs und gleich nach dessen Verlassen beim Kühlhof (Rastbank mit Marterl) am Südwesthang des Münzenberges.

Kurz vor den Straßenkehren zur Stieglitzmühle hinab kreuze ich – wie schon im Naturpark Blockheide – den 15. östlichen Längengrad, was durch einen Meridianstein am Straßenrand gekennzeichnet ist. Gleich bei der ersten der Kehren verlasse ich die Straße und kürze sie so auf steilen Pfaden abwärts ab.

Unten wendet sich der Eisenwurzenweg der Stieglitzmühle und in weiterer Folge der Straße von Klein-Sieghurts nach Schönbach zu. Dieser Abschnitt ist eher nicht dazu geeignet, Lust und Freude am Wandern zu generieren. Ob es die mögliche Alternative über die Kitzlermühle besser kann, bleibt von mir ungeprüft.

Etwas genervt von den beiden letzten Kilometern gehe ich endlich gegen 18 Uhr nach Schönbach hinein, wo ich im Gasthof „Lindenstüberl“ ein Zimmer reserviert habe. Ich betrete die Gaststube und was denkt ihr, wer dort bereits bei seinem ersten Bier sitzt und – wie, wenn wir uns für diese Zeit an diesem Ort verabredet hätten – nur kurz vor mir angekommen auf mich wartet. Natürlich der Wanderer, den ich schon in der Nebelsteinhütte getroffen habe, womit einem geselligen Abend nichts mehr im Wege steht. Nach einem anstrengenden Wandertag und einem Ausklang, mit dem man nicht unbedingt rechnen konnte, schmecken Speis und Trank natürlich besonders gut, machen dann allerdings relativ rasch müde, so dass wir uns noch vor der offiziellen Sperrstunde in unsere Zimmer zurückziehen.

Der folgende Tag wird an Strapazen nicht ärmer sein, denn der Weg wird mich von Schönbach über Bärnkopf und die Ysperklamm (auf die ich mich schon sehr freue) weiter nach Laimbach am Ostrong führen. Die meisten Begeher des Eisenwurzenweges werden sich diese Etappe wohl so einteilen, gibt es in diesem Abschnitt doch mit Bärnkopf nur eine nennenswerte Ortschaft dazwischen und somit auch kaum Quartiere. Ein weiterer Grund für meine Vorfreude ist, dass ich mit der Ankunft in Laimbach am Ostrong nur noch einen Tagesmarsch von der Donau entfernt bin – und das Wetter soll gut werden…
Eine kurze Anmerkung zur Gastronomie in Schönbach: Bei meiner Ankunft im September 2018 sind die Gasthöfe „Taverne“ und „Zur Post“ anscheinend nicht mehr in Betrieb. Wenige Wochen, bevor ich diese Zeilen hier schreibe, habe ich davon Kenntnis erhalten (Stand Okt. 2019), dass sich anscheinend auch der Betreiber des „Lindenstüberls“ zur Ruhe gesetzt und den Gasthausbetrieb eingestellt hat. Derzeit wird ein neuer Pächter für das Lokal gesucht – hoffentlich erfolgreich!
Ich darf verraten: Die Variante über die Kitzlermühle bietet:
1. geringfügig weniger Höhenmeterverlust
2. beträchtlich weniger Verkehr aber
3. trotzdem gleich etwa viel Asphalt.
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Danke für den Vergleich zwischen den beiden Varianten. Die Kitzlermühle habe ich hier nur deswegen ins Spiel gebracht, weil du sie in deinem Beitrag erwähntest.
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