Eisenwurzenweg 08: Tag 11 – Eisenbahnnostalgie im „bycycle space“

Am Morgen des vorerst letzten Wandertages auf dem Eisenwurzenweg ist es im Ybbstal ziemlich kühl. Ich frühstücke ausgezeichnet und als es dann ans Bezahlen geht, bekomme ich so nebenbei mit, dass sich die Quartiergeber heute fein herausgeputzt haben. Ob das nur wegen des sonntäglichen Kirchganges sei, frage ich und erfahre, dass für beide heute ein besonderer Tag ist. Sie begehen im Rahmen einer kirchlichen Zeremonie ihren fünfzigsten Hochzeitstag – also ihre „Goldene Hochzeit“. Gratulation zum Durchhaltevermögen an dieser Stelle!

Ich schrieb im vorigen Beitrag zum Eisenwurzenweg, der Charakter des heutigen Wegabschnittes sei ein völlig anderer im Vergleich zu gestern. Das will ich sofort erleben und suche mir nach Möglichkeit einen anderen Rückweg nach Gstadt, wo ich Tags zuvor den 08er verlassen habe. Ich finde ihn in einem lokalen Wanderweg über einen der Ausläufer des nahen Buchberges, welcher mich bis zu den paar Häusern von Hof bringt.

Dort stoße ich auf die zum Radweg umfunktionierte Trasse der ehemaligen Ybbstalbahn, der ich zunächst einmal bis zur Ybbsbrücke in Gstadt folge.

Die Ybbstalbahn war eine Schmalspurbahn, deren Netz das niederösterreichische Mostviertel durchzog. Die Stammstrecke folgte ursprünglich dem Tal der Ybbs von Waidhofen an der Ybbs über Großhollenstein und Göstling bis zur Marktgemeinde Lunz am See, wo die Bergstrecke nach Kienberg-Gaming beginnt. In Gstadt zweigte zudem eine Stichstrecke nach Ybbsitz ab. Wer Genaueres darüber nachlesen will, wird hier gut bedient.

Noch in Gstadt ist ein Rastplatz mit einem Getränkebrunnen in etwa auf der Höhe der ehemaligen Bahnhaltestelle Seeburg eingerichtet. Er ist wohl eher für ausgepowerte Radfahrer angelegt, als für hoffentlich noch nicht ermattete Wanderer auf deren ersten Kilometern des Tages. Ich lasse den Brunnen daher links liegen.

Gegenüber der Rotte Thann auf der anderen Seite der Ybbs biegt sich der Radweg nach links. Die Krümmung ist für Fußgänger stärker als für Biker, denn links der Radpiste lockt ein Feldweg, dem Asphalt für einen kurzen Zeitraum auszuweichen. More of the same gibt es gleich darauf auch auf der anderen Seite der ehemaligen Bahntrasse und bald darauf retour nach links, bis nahe dem Gehöft Unterweidach wieder alle auf Linie gebracht sind und den Radstreifen zu benutzen haben. Ein ab nun links vom Radweg befindliches Tiergehege, welches mich noch länger begleiten wird, sowie die Bundesstraße auf der rechten Seite engen den Spielraum für Doppelgleisigkeiten in diesem Bereich zu sehr ein.

Am Fuß des Birkenkogels vorbei wandernd habe ich bald wieder eine ehemalige Haltestelle der aufgelassenen Bahnlinie – wahrscheinlich Hohenlehen –  vor mir. Bei einer Trafostation zweigt eine Zufahrtsstraße zur ehemaligen Waldbauernschule im Schloss Hohenlehen, die jetzt eine Landwirtschaftliche Fachhochschule  bzw. Bergbauernschule ist, weg. Da gehöre ich laut Karte auch für einige wenige Meter hinein, um dann einem sehr naturnahen Pfad bis zur Streusiedlung Garnberg zu folgen. Hüfthohes, vom Morgentau noch nasses hohes Gras und Unkraut lassen mich jedoch keine Spur von einem Pfad erkennen, weshalb ich ohne Buschmesser dieses Abenteuer sofort wieder bleiben lasse. Beim Retourweg fällt mir auf, dass diejenigen, die die Beschilderung für den Wanderweg montierten, ähnlich wie ich gedacht haben dürften und die Tafeln so anbrachten, dass ich die Radspur auch wieder in die von mir gewünschte Richtung einschlage.

Wanderer, die von Hohenlehen mit dem Bus weiter bzw. zurück nach Waidhofen an der Ybbs fahren wollen, haben in Ybbstaler Buswartehäuschen an der Eisenstraße mitunter ein heißes Eisen (verwendetes Material bei der Errichtung der Wartehäuschen) über dem Kopf. Wenn ich mir die Busfahrpläne aber näher betrachte, bedarf es eher eines eisernen Willens, sich auf dem Land der Öffis bedienen zu wollen, um hier auf einen Bus zu warten.

Die Erläuterungen zum Thema „Eisenstraße“ lesen sich in WikiPedia so: „Die österreichische Eisenstraße ist eine Erlebnisstraße im Dreiländereck Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark. Sie wird als Marke auch als die Tourismusregion verstanden, die das Traun- und Mostviertel sowie die östliche Obersteiermark umfasst, was der Region Eisenwurzen und ihrem Umraum entspricht. Historisches Zentrum ist der steirische Erzberg, dessen wirtschaftliche Bedeutung in der Vergangenheit die umliegende Region prägte, und sich vom Alpenvorland von Steyr bis westlich von St. Pölten sowie weiters bis in das Obere Murtal erstreckt. Heute sieht man die Region im allgemeinen Sinne im Dreieck Wels, Mariazell und Leoben, womit die Eisenstraße weitgehend an das Salzkammergut im Westen anschließt.

Neben historischem Bergbau, Eisenindustrie und der für Schmelzöfen und Verhüttung notwendigen Holz- und Forstwirtschaft vermitteln die über 100 Stationen der Eisenstraße auch die Entwicklung des metallverarbeitenden Handwerks (vom Schmiedehandwerk über Maschinenbau bis zu Mess- und Musikinstrumenten) sowie der regionaltypischen Kultur und Bausubstanz von Gewerken und Bürgerschaft. Auch landschaftliche Besonderheiten der Region sowie Lehrpfade bei Talengen, Klammen und Holztriften bietet die Eisenstraße.“

Wer sich mehr über die Mitgliedsgemeinden informieren will, schlägt am besten hier nach.

Der Wander- bzw. Radweg führt mich anschließend an Garnberg und dem Meierhof vorbei, beides unterhalb des Kothaufenberges gelegen. Mich würde interessieren, wer der Namensgeber dieser Erhebung ist. Er dürfte jedenfalls die Fähigkeit gehabt haben, Pleiten, Pech und Pannen vorherzusehen. So dürfte er bereits geahnt haben, dass ich mich unmittelbar nach dem Meierhof auf einen vom Radweg abweichenden Feldweg begebe und zweihundert Meter danach vor einem versperrten Durchgang an einem Zaun stehe. Vom Radweg trennt mich nun ein vor sich hindümpelnder Bach in einem tiefen Bachbett und steilen, verwachsenen Uferböschungen. Also laufe ich wieder ein paar Meter zurück und versuche dort mein Glück, unfallfrei über den Bach zu gelangen. Es ist das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass ich anstehe und umkehren muss – wie gesagt unter der Patronanz des Kothaufenberges.

Anm.: Wer für den Namen dieser Erhebung verantwortlich ist, konnte ich bisher nicht eruieren. Im Web gibt es allenfalls geografische Erklärungen dazu und klickt man sich durch, landet man immer wieder bei WikiPedia:

Der Kothaufenberg ist ein 1000 m hoher Berg in den Ybbstaler Alpen im Gemeindegebiet von Hollenstein an der Ybbs in Niederösterreich. Er bildet das Ende eines Seitenkammes, welcher den Krenngraben vom Hauptkamm des Oisberges trennt. Er ist zwar nur 1000 m ü. A. hoch, ist aber für diese Höhe relativ schwierig zu besteigen, da es keinen markierten Weg zum Gipfel gibt.

Ich verbleibe daher brav auf dem Ybbstal-Radweg. Am Ende einer längeren Gerade zeichnen sich rechts der Ybbstal-Bundesstraße die Häuser von Höll und dahinter jene der Rotte Steinhaufen ab, beides nicht unbedingt einladende Namen für eine Community. Ich „umgehe“ sie, indem ich glücklicherweise den nun deutlich mehr befahrenen Radweg ein letztes Mal nach links verlassen darf, um am Waldrand weiter zu wandern. Bei der Straßenabzweigung nach Unkersbichl findet das Vergnügen aber bereits wieder sein Ende. Dem Fahrradverkehr ab nun strikt folgend geht es in einer langgezogenen S-Kurve nach Kleinhollenstein hinein. Wenigstens dem Kopf wird dort nicht langweilig, denn es warten insgesamt vier Richtungsänderungen auf mich.

Bei der Ausfahrt aus dem Ort – und ich kann das so bezeichnen, denn schließlich wurde der Weg in erster Linie für den Verkehr auf zwei Rädern angelegt – rottet sich gerade eine größere Gruppe von Radausflüglern zusammen. Eben an ihr vorbeimarschiert, bietet sich eine schattige Gelegenheit, diese Gruppe kurze Zeit darauf vorbeistrampeln zu lassen. Ein von mir mitgebrachter Müsliriegel fällt dieser nur halb freiwilligen Unterbrechung zum Opfer. Der Weg an den Häusern von Seimannslehen vorbei und nach Hollenstein an der Ybbs hinein ist eher eintönig und breit ausgebaut. Das Highlight in diesem Abschnitt ist das Gelände des ehemaligen Bahnhofes Großhollenstein, wo für Nostalgiefans noch der eine oder andere ausrangierte Waggon der früheren Ybbstalbahn herumsteht.

Das Gelände befindet sich eher am Rande von Hollenstein an der Ybbs, eine Brücke über die Bundesstraße verbindet es mit der Hauptstraße der Ortschaft. Die Bushaltestelle liegt genau unterhalb der Brücke, weswegen gleich einmal der Fahrplan studiert wird. Ich beabsichtige, noch hier im Ort irgendwo essen zu gehen, damit wird es für den nächsten Bus eher knapp. Wie von mir befürchtet, haben viele Radfahrer Ähnliches im Sinn, womit es in den Gastgärten und -stuben eng wird. Damit sind leider auch längere Wartezeiten auf Bedienung verbunden. Somit kann ich den Bus zurück nach Waidhofen an der Ybbs vorerst einmal abhaken. Der nächste kommt ohnehin schon drei Stunden später, wobei es in Gegenden wie diesen am Sonntag schon ein Glück ist, dass überhaupt noch einer fährt.

Nach dem Essen stehe ich vor dem Luxusproblem, wie ich die restliche Zeit bis zur Abfahrt am besten totschlage. Ich entscheide mich dafür, den Eisenwurzenweg einfach weiter zu gehen und Hollenstein an der Ybbs sowie dessen Ortsteil Dornleiten zu erkunden und komme so bis zu einer Schule bei Wenten, wo der Klausbach vom Weidental herunter kommt. Dort beginnt dann der Weg zur Stumpfmauer hinauf zu steigen und dort oben werde ich erstmals in hochalpines Gelände vorstoßen. Fürs erste kehre ich aber um und nähere mich in gemächlichem Tempo wieder dem Ortszentrum von Hollenstein an der Ybbs. Die drei Stunden sind beinahe um, was mich unverzüglich zur Bushaltestelle treibt.

Die vollständige Durchquerung des ersten Bundeslandes Niederösterreich habe ich im wesentlichen hinter mir. Auch wenn mir dafür noch die paar Meter auf den Berg hinauf fehlen, nehme ich das nicht so genau. Zur Steiermark rechne ich die folgende Etappe allerdings auch nicht, ich betrachte sie vielmehr als Übergangstour, weil ziemlich wahrscheinlich ist, dass es nur eine Tagestour werden wird.

Die Stumpfmauer sowie der an sie anschließende Tanzboden sind äußerst exponierte Gipfel. Sie sollten deshalb nur bei guten und stabilen Wetterbedingungen bestiegen oder überschritten werden. Ein vorausschauender Blick in diverse Fahrpläne zeigt mir, dass ich das zeitmäßig nur mit einer vorherigen Übernachtung am Ausgangspunkt in Hollenstein an der Ybbs schaffen kann. Wir schreiben Mitte September 2018, wird sich dieses Unterfangen noch im Herbst des selben Jahres ausgehen oder werde ich bis weit in das Jahr 2019 hinein auf eine gute Gelegenheit dafür warten müssen?

Wer von euch ist den Eisenwurzenweg bereits gegangen oder kennt ihn zumindest dem Namen bzw. der ungefähren Wegführung nach? Ist vielleicht jemand unter euch, der den Weg gegangen ist, als die Ybbstalbahn noch in Betrieb war? Wie war damals der Wegverlauf? Lasst es mich wissen!

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