Wenn auf höher gelegenen Alm- oder Karstgebieten der Nebel einfällt, sieht man nicht selten nur noch die nächsten Meter vor sich und läuft Gefahr, sich in der undurchdringlich scheinenden grau-weißen Suppe zu verirren. Kommen dann noch Wind und Nässe hinzu, kann es für Wanderer schnell gefährlich werden. Das weitläufige Hochschwab-Massiv oder das Tote Gebirge in den Nordalpen sind bei schlechtem Wetter nebelanfällige Gebiete, welche man unter diesen Umständen eher meiden sollte. Auf den Almböden der Kärntner Saualpe schätze ich diese Gefahr zwar nicht ganz so hoch ein, möchte mich bei diesen Bedingungen aber trotzdem nicht dort oben mühevoll orientieren müssen.
Das alles ist heute für mich kein Thema, denn ich übernachte unterhalb der Wolkenbasen im Gasthof „Zum Messnerwirt“ in Diex, dem laut Tourismuswerbung sonnigsten Bergdorf von ganz Österreich. Von Sonnenstrahlen findet sich allerdings den gesamten Tag keine Spur, weil viele dicke graue Wolken über Kärnten hängen – jederzeit bereit, um ausgiebig Nässe von oben auf des Wanderers Haupt zu spenden. Ich ziehe darum möglichst früh los und lasse die Wehrkirche im Ort Kirche sein, um nicht zu viel Zeit zu verlieren, schließlich warten hunderte steile Abstiegshöhenmeter auf mich.
Beim Gehöft Lessiak beginnt der Wandelitzenweg, der Wanderer und Spaziergänger wie der Name bereits andeutet zum Wandelitzenhof führt. Ob damit auch eine Wohlfühloase gemeint ist, zieht zumindest eines der Schilder in Zweifel.
In jedem Fall bin ich von nun an auf einem Höhenweg unterwegs, welcher hin und wieder Tiefblicke ins Tal zulässt sofern das Wetter mitspielt. Der Wanderweg vollführt einen Linksbogen hinter das Gehöft Russ und zweigt anschließend unmittelbar vor dem Zauberkogel von der Straße in einen Waldweg hinein. In kaum merkbaren Kaskaden verläuft der Wandelitzenweg in Richtung Drautal, einmal durch den Wald dann wieder über Wiesen und Weideland. Die Aussicht ist heute eher beschränkt, wobei der Umriss der Karawanken das höchste der Gefühle für mich ist.
Nach Oberkärnten zu sieht es noch düsterer aus, so dass im weiteren Verlauf des Tages von dort her zunehmend Niederschlag zu erwarten ist. Aus den Wald- und Wiesenwegen wird wieder eine Straße und diese führt zum Weiler Togain hinunter. Dort, wo sie sich nach links bergab wendet, befinden sich ein Kreuz und der sogenannte „Du-Stein“, der Wanderer zur Änderung der Anrede untereinander auffordern soll. Derartige Steine befinden sich meist auf exakt 1.000 m Seehöhe, oberhalb der man im Falle einer Begegnung vom förmlichen ‚Sie‘ zu einem lockeren ‚Du‘ übergeht.
Ich begebe mich geradeaus weiter zum Kraigerhof und bleibe dem Wandelitzenweg damit treu. Beim Gehöft unterläuft mir dann jedoch ein Irrtum, der auch mit den scharfen Hunden auf diesem Hof zu tun hat. Die Warnung vor den Vierbeinern ernst nehmend versuche ich möglichst schnell und unauffällig den Hof zu passieren und sehe mir dabei die Beschilderung des Eisenwurzenweges nicht genau an. Diese weist mich nämlich pikanterweise eben durch den erwähnten Hof hindurch, ich hingegen folge der Straße weiterhin nun steil abwärts bis zur scharfen Linkskehre, von der aus ich den Wandelitzenhof auf der anderen Talseite erkenne. Angesichts des Fehlens weiterer Markierungen mache ich mich bezüglich meines aktuellen Standortes schlau und erkenne somit meinen Abweg.
Wieder beim Kraigerhof retour entkomme ich den Rottweilern nicht mehr und für zumindest zwei von ihnen scheinen Wanderer und Spaziergänger Freiwild zu sein. Vom Bauern sind keine allzu großen Bemühungen, die Tiere so weit zurückzuhalten, dass Passanten nicht mehr um ihr Leben fürchten müssen, zu erwarten. Man kann froh sein, dass man selbst und auch die Wanderausrüstung keinen Schaden nehmen.
Den Hof verlasse ich gerne nach links weg in einen leicht abfallenden Wiesenweg hinein, der von dem einen oder anderen Obstbaum flankiert wird. Ab dem Wiedereintritt in den Wald verliere ich deutlicher an Höhe und die Wege sind oft von zum Teil hohem Gras bedeckt sowie vom nächtlichen Regen noch nass. Vorsicht ist darum geboten, auch deswegen weil hier nicht mehr so viele Outdoor-Begeisterte unterwegs zu sein scheinen. Ein wenig Sorge bereitet mir auch die nun eher lückenhafte Markierung. Ich muss mehr als einmal an Kreuzungen und Abzweigungen erraten, wie es korrekt mit dem Eisenwurzenweg weitergeht.
Oberhalb von St. Stefan gelange ich wieder an eine Straße, welcher ich bergab folge, bald entdecke ich aber eine Abzweigung auf eine Weide. Dieser Pfad leitet mich quer über diese Weide hinab und zur Kirche von St. Stefan. Der Pfad beginnt oberhalb besagter Weide in einer scharfen Linkskurve und Nachwanderer sollten an dieser Stelle konzentriert gehen, damit sie den Schwenk nicht verpassen.
Dies ist jedoch nicht die einzige Falle, die St. Stefan dem geneigten Weitwanderer zu bieten hat. Von der Kirche geht es gleich nach rechts in die Landesstraße hinein und weiter dem Ortsende zu. Dort erwartet mich eine undeutlich ausgerichtete Markierung bzw. Beschilderung und es sei gleich verraten, dass man nicht auf der Landesstraße verbleibt. Links steht – soweit ich mich erinnere – ein Feuerwehrhaus und dahinter beginnt ein durch Maiskulturen hindurch führender Feldweg. Diese Abzweigung ist von der Straße aus nicht gut zu erkennen, weshalb auch ich die Fortsetzung erst beim zweiten Versuch finde.
Auf den Mais folgt ein kleiner Wald und ein Wirtschaftsweg zur Autobahn A2, dahinter gelange ich bis an den Ortsbeginn von Arlsdorf, das am Strutzikogel liegt. Nach den wenig angenehmen Wirtschaftswegen tut der weiche Waldweg am Westhang des Strutzikogels meinen Fußsohlen jetzt sehr gut. Vom Südabhang der knapp 600m hohen Erhebung aus erkenne ich das nahe Völkermarkt und somit mein Minimalziel für heute. Am Schwimmbad vorbei ignoriere ich den rechten Weg und stoße auf die um die Bezirkshauptstadt herumführende Umfahrungsstraße. Von da aus suche ich links das Zentrum der Kommune und kehre in eine Pizzeria ein, denn Nahrung und Stempel wollen organisiert sein.
Sobald das erledigt ist, mache ich mich wieder auf den Weg und klinke mich beim Schwimmbad wieder in den Eisenwurzenweg ein. Dieser bringt mich via Forellenweg ein Stück weiter westlich abermals zur Umfahrungsstraße, welcher ich nun ein Stück bis zur Klosterstraße zu folgen habe. Durch mehrere Gassen hindurch erreiche ich am Ende den Jauntalweg. ich will nur schnell aus dem Ort hinaus, denn bei dem trüben Wetter kann ich hier nur wenig Ansprechendes für mich entdecken und der Weg entlang der Umfahrungsstraße wirkt überhaupt trostlos.
An den letzten Häusern von Völkermarkt vorbei trete ich wieder in den Wald und folge einem Pfad leicht bergan. Die Markierung beginnt abermals lückenhaft zu werden, schließlich lande ich aber doch im Uferbereich des Völkermarkter Stausees. Ich folge der Uferpromenade weiter nach Westen, nur um das auf einem Hügel errichtete Schloss Neudenstein macht sie einen großen Bogen vom Ufer des Stausees weg.
Auf der anderen Seite des „Schlossberges“ warten nach einem Bootshafen ein über zwei Kilometer langer und im wesentlichen gerader Dammweg und somit wenig abwechslungsreiche dreißig Minuten auf mich. Am Ende des Dammweges übersetze ich die Tainacher Brücke über die Drau. Bereits von weitem ist der Kirchturm von Tainach zu sehen, den Ort tangiere ich jedoch nicht.
Am anderen Ufer der Drau liegt Seidendorf. Hier scheint wenig los zu sein, darum mache ich mich sogleich zum Bahnhof von Tainach-Stein auf den Weg. Ich erfahre dort Unerfreuliches, denn heute und in den darauf folgenden Tagen wird hier kein Zug abfahren. „Schienenersatzverkehr“ lautet die Empfehlung am Eingang zum Bahnhofsgebäude, also marschiere ich wieder gut dreihundert Meter zur Bundesstraße nach Seidendorf zurück, wo sich die Haltestelle des Ersatzbusses befindet. Glücklicherweise kommt schon wenige Minuten später der nächste Bus nach Klagenfurt und auch der Regen hält sich bis jetzt zurück. Kaum sitze ich jedoch zwei Minuten im Bus, schüttet es wie aus Eimern. In der Kärntner Landeshauptstadt habe ich keinen optimalen Anschluss nach Hause und sitze deshalb die eineinhalbstündige Wartezeit auf den nächsten Zug in der Bahnhofskonditorei ab.
Insgesamt betrachtet haben die Seetaler Alpen sowie die Saualpe viel Schönes zu bieten und auch das Gehen auf den Almwegen ist sehr angenehm. Hier ist eindeutig ein Wandergebiet, welches nicht nur für Weitwanderer interessant ist. Wie geht es weiter? Drei Wandertage verbleiben noch, um es zum südlichen Terminus des Eisenwurzenweges zu schaffen, was sich wahrscheinlich noch 2019 ausgehen wird. Es gilt für mich, diese Abschlusstour rasch vorzubereiten, um zu sehen ob die im Herbst bereits kürzeren Tage oder die doch eher lange An- und Rückfahrt organisatorisch ein Problem werden könnten. Jedenfalls freue ich mich schon sehr auf die Karawanken.