Kärntner Mariazellerweg 06: Tag 3 – Mit zunächst unklarem Ziel von Kärntens Schönheit ergriffen

Das sonnigste Bergdorf Österreichs hat auch bei meinem zweiten Besuch keinen wärmenden Sonnenstrahl für mich übrig. Wolken dürfte es nicht allzu viele geben, aber der morgendliche Nebel küsst die Baumwipfel jenes Waldstückes oberhalb von Diex, in welches ich mich auf direktem Wege von meinem Quartier weg begebe.

Apropos Quartier: Da ich am Vorabend bei der Herbergssuche im Raum St. Paul im Lavanttal erfolglos war, bleibt die Länge meiner heutigen Tagesetappe zunächst offen. Fix ist nur, dass ich nach Griffen absteigen und dort kurz vor Mittag eintreffen werde. Dort wird dann mein Telefon glühen, denn sollte es mit St. Paul im Lavanttal nicht klappen (und weiter werde ich heute nicht kommen), müsste ich auch in Griffen alles durchtelefonieren, weil danach gibt es bis St. Paul keine Unterkunft.

Aus Diex heraus marschiere ich also wieder zu jener Wegteilung, an der ich am Vortag den Kärntner Mariazellerweg verlassen habe.

Dieser schwingt sich nun über eine Böschung in die südlichen Ausläufer der Saualpe auf und bleibt zunächst im Wald. Schmale Pfade, Karren- sowie Forstwege bringen mich nach einer guten halben Stunde zum ehemaligen GH „Jauntalblick“.

Nicht mehr weit vor dem Gebäude habe ich auf der Schotterstraße noch eine Begegnung mit einer betagten Anwohnerin. Mit dem Kärntner Mariazellerweg von Klagenfurt nach Eibiswald kann sie nicht viel anfangen, obwohl es auch an dieser Stelle Markierungen und Beschilderungen gibt. Es dürften nicht sehr viele Pilger im Laufe der Jahre hier vorbeikommen, die überwiegende Mehrheit wendet sich von Klagenfurt ausgehend wohl der alpinen Variante zu.

Der frühere Gasthof macht auch heute noch einen ziemlich verlassenen Eindruck auf mich. Zu sehen gibt es nebelbedingt ohnehin nichts – schon gar nicht das Jauntal.

Die Asphaltstraße, der ich nun kurz folge, führt zur Streusiedlung Grafenbach, wo es angeblich eine Übernachtungsmöglichkeit geben soll. Am frühen Vormittag bin ich aber einigermaßen ausgeschlafen und benötige diese somit nicht. Der Wanderweg zweigt bald hinter dem aufgelassenen Gasthof bei einem Bildstock nach Süden in den Wald hinein ab und beginnt kontinuierlich zu fallen. Ich erreiche eingezäunten Weidegrund, hinter dem die Straße beim Verhounig-Kreuz linker Hand von Grafenbach wieder daherkommt. Wie in Diex gibt es auch dort eine alte Wehrkirche.

Kurz nach dem Kreuz wende ich mich bei einem Hof nach links zur Streusiedlung Großenegg und gewahre – nun steil abwärts gehend – eine Gebäuderuine, welche in einem Rechtsbogen umgangen wird.

War die Sicht beim Verhounig-Kreuz kurzzeitig wieder besser, so werde ich hier nun vollends eingenebelt. Nur sehr schemenhaft lässt sich das nur wenige Schritte entfernte Weidevieh ausmachen. Erst bei den Häusern von Gariusch wird das wieder besser, weil ich die Nebeluntergrenze unterschreite.

In zwei scharfen Kehren folge ich der Straße zum Anwesen Oman, wo ich etwas überraschend von der Straße über eine Wiese zu einem Gatter am Waldrand geleitet werde.

Es folgt eine erste Kraxeleinlage, dann laufe ich – teilweise weglos – zu einem weiteren Gatter hinab, wobei der Hof „Raunig“ passiert wird. Nach einer weiteren Kraxelei gelange ich über einen anfangs steilen Waldpfad und später auf einem teilweise verwachsenen Karrenweg ins Grafenbachtal.

Hat man die durch das Tal hindurchführende Straße bei Untergrafenbach erst einmal erreicht, steht man nach wenigen Minuten Gehzeit vor dem ehemaligen Prämonstratenserstift Griffen.

Viel ist hier nicht los, weshalb ich nach ein paar Fotos gleich gen Griffen weiterziehe. Der Nebel und die Bewölkung schicken sich an, der Sonne Platz zu machen, weshalb der Griffener Schlossberg bereits von weitem zu sehen ist.

Mich zieht es jedoch rasch in Richtung Zentrum von Markt Griffen, um erstens etwas zu essen und zweitens die Quartierfrage zu klären. Dafür begebe ich mich sofort ins hiesige Gemeindeamt. Die Kontaktadressen aus dem Wanderbuch habe ich schon allesamt durch, im Gemeindeamt kann man noch mit ein paar mehr aufwarten. Vorerst sieht es nicht nach einem raschen Erfolg aus, doch unerwartet meldet sich die Wirtin des GH „Zum Johannesmessner“ oberhalb von St. Paul im Lavanttal und weiß zu berichten, dass einer ihrer Gäste für die kommende Nacht stornieren musste. Dankenswerterweise hat sie unverzüglich meine Nummer gewählt, womit der Schlafplatz beinahe nahtlos mir zufällt.

Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass Griffen die Heimatgemeinde des Schriftstellers Peter Handke ist und dass Interessierte im Stift Griffen eine Dauerausstellung über ihn besuchen können. Nur wenige Tage nach meiner Anwesenheit in der Gemeinde wird Handke als diesjähriger (2019)  Nobelpreisträger für Literatur verlautbart.

Mit der Organisation und der Einkehr für eine Mittagsmahlzeit ist die Zeit schon fast bis 13 Uhr vorgerückt. Gleich hinter dem Gemeindeamt verheißt mir die Beschilderung bis nach Lavamünd eine reine Gehzeit von sieben Stunden. Laut meinem Wanderführer (übrigens noch aus dem Styria Verlag) soll ich es in dieser Zeit nur bis zum Johannesberg, wo sich mein heutiges Quartier befindet, schaffen. Anfang Oktober wird es um halb sieben dunkel – na dann mal los!

Vom Wölfnitzbach über Poppendorf hinauf zum Radinkreuz benötige ich gerade einmal zwanzig Minuten.

Nach einer kurzen Verschnaufpause gebe ich die gewonnenen Höhenmeter auf einem sich länger dahinziehenden Pfad wieder ab und schwenke bei einem Gehöft auf einen Feldweg ein, der der A2 zuzustreben scheint. Schon davor biege ich aber wieder bergwärts zum Gehöft Weriant ab.

Das Wetter macht mir das Vorankommen an dieser Stelle schwer, denn zu klar und weit ins Land ist die Sicht nun und ich hole all das nach, was im Nebel mit der Kamera nur wenig sinnvoll erschien.

Nach dem Hof Weriant ist die Weinbergkapelle auf dem Haberberg der nächste markante Punkt. Ich erreiche ihn über einen Weg am Hang des Haberberges, teilweise in eher freiem Gelände oder auch im Wald. Hier trifft der Lavanttaler Höhenweg 338 mit dem Kärntner Mariazellerweg (hier 306) zusammen und leistet diesem bis zum „Weintrattl“ (Tag 4) Gesellschaft. Dass ich von nun an auch einem „Höhenweg“ folge, werde ich im weiteren Verlauf noch zu spüren bekommen.

Bei der Kapelle übersetze ich eine Kreuzung und verschwinde danach abermals im Wald. Auf ansteigenden Wegen stoße ich bis zum sogenannten „Weiberwinkel“ vor. Ich finde dort eine weitere Kapelle, die größenmäßig jedoch nicht an die Weinbergkapelle herankommt. Schön ist der Platz davor nicht, eher erdig mit Spurrillen von Harvestern. Diese Maschinen haben auf den Zustiegswegen zum „Weiberwinkel“ teilweise beinahe schon landschaftsverändernd in die Natur eingegriffen. Zahlreiche Bäume mussten dran glauben und was die Wege betrifft, wurden diese verbreitert. Man kommt sich vor wie in einer Mondlandschaft, die Wege sind auch da von tiefen Rillen durchzogen und bei oder nach Regengüssen wohl unbegehbar. Immerhin steht im „Weiberwinkel“ eine Tafel mit der Beschreibung der Legende zu diesem Ort im Wald.

Nach der Kapelle senkt sich der Weg wieder zu Weideflächen hinab und ich trete schließlich aus dem Wald heraus. Das verschafft mir einen Überblick über Windisch-Grutschen am Gegenhang und über das Lavanttal links hinweg bis zur Koralpe.

Das Weidevieh grast am Wegesrand, bis das Leittier fluchtartig zum Stall hin das Weite sucht. Alle anderen Kühe machen es daraufhin ebenso. Ich muss wirklich einen furchterregenden Eindruck auf die Herde machen, kann mich aber nicht weiter darum kümmern, weil sogleich der Anstieg zur Stempelstelle in Windisch-Grutschen beginnt. Dort setze ich mich für ein paar Minuten hin und genehmige mir Kühles für die Kehle.

Mehr Zeit ist nicht, denn auf der anderen Seite des Kammes, auf dem die Jausenstation liegt, lässt sich die noch zu erwandernde Strecke für den Rest des Tages überblicken und das ist noch einiges.

In den restlichen drei Stunden mit Tageslicht steht noch die so genannte „Sieben-Hügel-Wanderung“ auf meiner Agenda und da fällt mir wieder ein, dass ich ja auch einen „Höhenweg“ begehe. Die Anzahl sieben Hügel erschließt sich mir nicht ganz, weil ich hier nur deren fünf benennen kann, aber eventuell ist auch die eine oder andere namenlose Erhebung dabei. Zunächst quere ich allerdings die Grutschen-Landesstraße bei einem markanten Bildstock und wandere beim Buchhiasl-Bauern vorbei in den Wald hinein.

Sofort beginnt der Weg deutlich anzusteigen, bis ich einen breiteren Forstweg erreiche. Der Gipfel des Wiesenbauerkogels sieht mich nicht, sondern der besagte Forstweg führt leicht abwärts in den Riepelsattel hinunter. Bisher ist es bequem zu gehen und ich komme gut, vor allem aber auch schnell voran. Das ändert sich im Sattel allerdings schlagartig, denn das Gelände ist hier ziemlich verwachsen, so dass ich zunächst auf einen falschen Pfad mit totem Ende gerate. Der zweite Versuch ist erfolgreicher, jedoch baut sich jetzt vor mir der Langer Berg mit seinem scharfen Anstieg auf, den ich in engen Kehren oder zeitweilig auch in direkter Linie bewältigen muss.

So ist das bisherige Gehtempo nicht aufrecht zu erhalten und ich komme ins Schnaufen. Sobald der Langer Kogel überschritten ist, liegt die eine oder andere kaum auffällige Zwischenerhebung vor mir, bevor ich den wieder merklicheren Aufstieg auf den Zwölferkogel in Angriff nehme. Mit seinen 806m ist er geringfügig höher als der Langer Berg (786m) zuvor. Vor dem Anstieg kann man sich auf dem Lavanttaler Höhenweg noch einen Stempel mitten im Wald holen.

Hinter dem Zwölferkogel steige ich gefühlt elendslange zum Eisersattel ab. Dort kann ich mich wenigstens hinsetzen und kurz pausieren. Hier soll es irgendwo auch eine Alternativroute zur Umgehung des Martinikogels sowie des Kasparsteins geben, in den Sattel führen allerdings nur die Zustiege von Eis und St. Martin herauf.

Erst unmittelbar vor dem Anstieg zum Martinikogel zweigt ein weiterer Weg vom Kamm weg, so weit ich mich erinnere war die Beschilderung bezüglich der Alternativroute unklar. Während ich das in meinem Kopf noch zu verarbeiten versuche, laufen meine Beine bereits den steilen Hang zum Martinikogel hoch. Auch so können Entscheidungen fallen, es war wohl dem Zeitdruck geschuldet. Vom Martinikogel (841m) aus habe ich einen herrlichen Blick ins Drautal hinab, welches vom Herbstlicht der bereits tiefer stehenden Sonne durchflutet wird.

Zum Glück bin ich nicht alternativ unterwegs, denke ich mir. Mit der kleinsten Alpenvereinshütte Österreichs hat der Martinikogel eine weitere Attraktion zu bieten. Sie ist nicht viel größer als eine Hundehütte für Bernhardiner, als Unterstand bei widrigem Wetter taugt sie aber allemal.

Neuerlich steil und mittlerweile sehr schattig ist der Übergang vom Martinikogel zum Kasparstein. Auf der Habenseite dieses Abschnittes kann dabei die Aussicht ins Lavanttal und zur Koralpe verbucht werden.

Der Aufstieg zum Kasparstein verlangt mir wieder einiges ab und nicht immer ist der Pfad deutlich ausgeprägt. Auf dem kleinen Gipfelplateau (841m), von dem aus ich ins Jerbitzbachtal und ins Drautal hinabblicken kann,  hat man einen Steinquader hingestellt.

Der Abstieg ist wegen seiner Steilheit sogar versichert, danach habe ich die Hügel geschafft. Am Ende des Abstiegsweges vereinigen sich die beiden Routen des Kärntner Mariazellerweges 306 und 306A beim Sternitzkreuz (gut beschildert) wieder. Von dort gelange ich in nur wenigen Schritten zu jener Abzweigung, bei welcher ich den Kärntner Mariazellerweg für heute verlasse und mich meiner Unterkunft auf dem Johannesberg zuwende.

Beim Bergabgehen erkenne ich in einiger Entfernung die Kirche St. Josef auf der Erhebung gegenüber.

So wie ich nach einem kurzen Waldstück wieder ins freie Gelände trete, sehe ich den Johannesberg vor mir  bzw. leicht unterhalb am Hang. Gleich neben dem Gotteshaus befindet sich der GH „Zum Johannesmessner“, den ich kurz nach halb sieben bei bereits fortgeschrittener Dämmerung betrete.

Nach der nun fälligen kräftigen Stärkung schaffe ich es später erst nach zweieinhalb Stunden Schlaf, das Licht auszumachen – so ermüdet hat mich die heutige Tour.

Morgen wird es jedoch nicht viel einfacher, obwohl ich ein freies Bett in Soboth an der Grenze zur Steiermark bereits reservieren konnte. Nach Lavamünd wartet mit dem so genannten „Weintrattl“ (1430m) der höchste Punkt des Kärntner Mariazellerweges auf mich, von Lavamünd aus ein Anstieg von immerhin knapp 1100 Höhenmeter. Als wäre das nicht schon genug der Anforderungen, soll sich am Nachmittag auch noch das Wetter verschlechtern.

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