Kärntner Mariazellerweg 06: Tag 4 – Ich nehme ein „Sobothical“

Keine Sorge, weder verlasse ich den Kärntner Mariazellerweg, noch bleibe ich für längere Zeit irgendwo am Weg hängen, nur der Charakter des Wanderweges ändert sich vorübergehend dahin, dass ich vom ständigen Auf und Ab im Hügelland zunächst ins Tal der Drau absteigen und gleich darauf bis zum höchsten Punkt der Gesamtstrecke beim sogenannten „Weintrattl“ aufsteigen werde. Das gesamte Gebiet, das ich heute noch erreichen will, nennt man Soboth – also Pass(-straße) sowie den gleichnamigen Ort – und markiert die Grenze zwischen dem Land Kärnten und der Steiermark. Schon morgen werde ich (die) Soboth wieder hinter mir lassen.

Hoch über dem Lavanttal packe ich nach einem durchschnittlichen Frühstück meine Sachen und verlasse den GH „Zum Johannesmessner“ auf dem selben Weg, den ich am Vorabend von der „Sieben-Hügel-Kammroute“ des Kärntner Mariazellerweges hierher abgestiegen bin. Im Tal wabern dünne Dunst- und Nebelschleier, die von der eben erst aufgegangenen Oktobersonne wohl bald angeknabbert werden.

Am Johannesberg ist die Luft klar und frisch, der ansteigende Zubringer zum Weitwanderweg daher genau richtig, um die eigene Muskulatur für den langen Marsch ins Steirische nach Soboth aufzuwärmen. Aber das östlich an Kärnten anschließende Bundesland ist voerst noch Zukunftsmusik, vielmehr ist mein erstes Zwischenziel der an der kärntnerisch-slowenischen Grenze liegende Markt Lavamünd, wo ich noch deutlich vor Mittag eintreffen sollte.

Unweit des Sternitzkreuzes treffe ich nach zwanzig Minuten wieder auf Weg Nummer 06 und folge diesem nun in einem Rechtsbogen zum Rottensteiner Kreuz. Auf dem Weg dorthin, der zunächst ein schmälerer Wald- und später ein breiterer Karrenweg ist, habe ich mancherorts gute Sicht auf die Drautaler Nebelsuppe, deren Obergrenze noch deutlich unterhalb des Wanderweges liegt.

Das Rottensteiner Kreuz befindet sich gemeinsam mit einem Marterl an einem größeren Kreuzungspunkt allerlei Wege.

Der Kärntner Mariazellerweg mündet dort in einen gut ausgebauten Forstweg ein, der nach einigen Gehminuten das Anwesen „Ulli“ passiert und mich in weiterer Folge zur Streusiedlung Rabensteingreuth bringt. Ausblicke entlang des Weges verraten mir, dass es im Drautal nichts Neues gibt und ich ebenso viel bzw. so wenig davon sehe wie schon in der Nähe des Sternitzkreuzes. Kurz nach dem sogenannten „Russenkreuz“ weicht der Wanderweg vorübergehend von der Straße ab und führt durch den Hof „Waldegger“.

Unmittelbar beim Wirtschaftsgebäude muss ich kurz stehen bleiben, um mich zu orientieren, der anwesende Bauer lässt mir jedoch kaum Zeit dafür, schon verwickelt er mich in ein Gespräch mit dem mir wohl bekannten Thema – nämlich woher ich komme, wohin ich gehe und das abschließende Statement: „Boah! Des is oba a braaada Weg!“

Der Weg verläuft quer über die Weide zu eine kleinen Kapelle hin, von wo ich über eine Wiese nach rechts zu einer Straße hinunter soll. Bei der Kapelle lädt mich die Aussicht bis nach Slowenien und ins Koralpengebiet hinein ein, ein paar Minuten zu verweilen, bevor es wie beschrieben weitergeht.

Auf der Straße bleibe ich nicht lange, denn bereits nach wenigen Minuten zweige ich beim Hof „Rachur“ zum Wald hin ab. Das ist geografisch gesehen zwar ein kleiner Umweg, aber deutlich schöner zu gehen, als wenn man auf der Straße bliebe, in die der Wanderweg nach der Durchquerung des Forstes ohnehin wieder einmündet. Im Lavanttal unten angekommen, kann ich mein Glück gar nicht fassen, denn der Nebel, der von oben betrachtet undurchdringlich schien, hat sich mittlerweile komplett aufgelöst.

Damit sollte auch die Wegfindung nach Lavamünd hinein kein Problem darstellen. Ich erreiche den Ortseingang nach einem viertelstündigen Hatscher zwischen der Bundesstraße und der Drau.

Lavamünd zieht sich in die Länge, dennoch finde ich am Rande des Weges keine geeignete Verpflegungsstation. Zwar hole ich mir im Gemeindeamt den Stempel, danach ziehe ich jedoch in den Ortsteil Pfarrdorf weiter, wo ich meine Hoffnung auf den GH „Hüttenwirt“ setze, schließlich hat eine Bekannte eine Woche zuvor dort noch genächtigt. In Pfarrdorf angekommen zeigt mir der just in dieser Woche urlaubende „Hüttenwirt“ allerdings den geschlossenen Rollbalken (nicht nur den mittleren!). Damit steht mir bis zu meinem Tagesziel in Soboth nur ein mickriger Müsliriegel als Wegzehrung zur Verfügung. Lange wird sich dieser wohl nicht mehr in meinem Rucksack halten.

Aus Pfarrdorf hinaus wandere ich im wesentlichen entlang der auf die Soboth hinaufführenden Passstraße, kurzzeitig werde ich dabei von Grünzeug etwas von ihr abgeschirmt. Nach etwa einem Kilometer verabschiedet sich der Mariazellerweg vom Asphaltband und sticht in beinahe gerader Richtung zwischen Wiesen und Feldern hindurch bis zum Gehöft „Multerer“ nahe der slowenischen Grenze.

Unmittelbar hinter dem Hof hat das gemütliche Dahinwandern jedoch ein jähes Ende. Nach einer scharfen Richtungsänderung nach links beginnt sich der nun zu einem Pfad verengende Wanderweg steil vor mir aufzustellen. Im weiteren Verlauf des Tages werde ich 1.100 Hm bis zum „Weintrattl“ – dem höchsten Punkt des Tages und des gesamten Kärntner Mariazellerweges von Klagenfurt bis nach Eibiswald – zu überwinden haben. Bevor ich also Anlauf nehme und mich in die Höhe schwinge, blicke ich nochmals nach Pfarrdorf und ins Drautal zurück.

Dann stapfe ich den teilweise verwachsenden Weg durch den steilen Multerergraben Richtung Soboth hinauf. Ein verlassen wirkendes Wochenendhaus ist der erste Wegpunkt, aber noch nicht das Ende des ersten Aufschwunges, welcher mir recht bald die ersten Schweißperlen auf die Stirn treibt. Hinter diesem auf einer Lichtung stehenden Wochenendhaus steige ich in einigen Kehren noch steiler zum sogenannten „Hornigkreuz“ auf. Am Ende des Steilaufschwunges habe ich das eingezäunte Grundstück eines Anwesens zu umgehen, bis ich die Straße nach St. Lorenzen erreiche.

Ein paar Schritte abseits davon befindet sich das Kreuz. Weil das Gelände hier nicht mehr so arg ansteigend ist und sich beim „Hornigkreuz“ eine Sitzgelegenheit befindet, lege ich dort eine Pause ein und verzehre den Müsliriegel.

Mein nächstes Ziel ist St. Lorenzen und um dorthin zu gelangen muss ich den gesamten Multerergraben ausgehen. Das ist ein ordentliches Stück Weg, denn zunächst halte ich mich auf einer Schotterstraße am Waldrand zum Gehöft „Jamnig“ hin.

Nach den paar Häusern senkt sich der Wanderpfad zum Multererbach hinab und steigt nach dessen Überquerung auf der anderen Talseite stetig an. Unangenehmerweise habe ich dort das Gefühl, ständig in der falschen Richtung unterwegs zu sein, auch deswegen, weil es so lange dauert bis ich jene Wiese erreiche, wo dann endlich die Richtungsänderung nach links zur Straße nach St. Lorenzen erfolgt. Von der Wiese aus habe ich einen satten Panoramablick über das Drautal.

Ich gehe also die letzten Schritte zur Straße hinauf und kann St. Lorenzen augenblicklich vor mir sehen.

Ich folge dieser Straße bergan und in weiterem Verlauf durch den Ort bis zu einer Spitzkehre, wo es an einem Weidezaun entlang zügig weiter aufwärts geht bis ich bei einem Kreuz wieder die Straße unter meinen Sohlen habe. Diese verlasse ich aber bereits wenig später, um mich zu den Höfen Rechberger und Jankitz empor zu arbeiten. Von dort aus lässt sich schon der letzte Abschnitt des Anstiegsweges bis zum „Weintrattl“ erahnen.

Kurz hinter den höchsten Weidegründen des Hanges beginnt ein mäßig und stetig steigender Pfad durch den Bergwald. Nahe einer Quelle beim sogenannten Jankitz-Trögli lege ich nochmals eine kurze Rast ein, bevor ich die letzten Schritte zum Kreuzungspunkt am Kamm angehe. Der eher schmale und von Steinen durchsetzte Pfad verbreitert sich auf den finalen Gehminuten noch zu einer ausgebauten Waldstraße.

„Weintrattl“ ist eine markante Kreuzung diverser Weit- und Rundwanderwege direkt auf dem Kamm. Neben dem Kärntner Mariazellerweg werden auch eine Variante des Südalpenweges, dessen Hauptweg selbst und ein Ast der Via Alpina über diese geroutet. Zudem verlässt mich nur wenig weiter nördlich davon der Lavanttaler Höhenweg in Richtung Koralpe. Nur kurz nach meiner letzten Rast hat es rasch zugezogen, sobald ich den eben beschriebenen Wegpunkt vor mir erkenne, erhebt sich dann wie aus dem Nichts das natürliche Gebläse mit zum Teil unangenehmen Windböen. Mein Verbleib am „Weintrattl“ ist daher nur ein kurzer, vielmehr trachte ich danach, den Kammbereich möglichst rasch wieder zu verlassen.

Das gelingt auch wenig später dort, wo sich Mariazellerweg und Lavanttaler Höhenweg trennen. Während der Höhenweg seinem Namen entsprechend oben verbleibt, schwenkt Weg 06 gemeinsam mit der Variante des Südalpenweges nach rechts ins Tal. Sehr bald wird aus dem Weg ein schmaler, verwachsener Pfad, der jedoch meist direkt den Abhang des Jankitzkogels hinunter weist, zwar nicht besonders abschüssig, aber ausreichend, um hurtig aus dem stärksten Windfeld zu wandern.

Drei Forststraßenquerungen später wir die mehr oder weniger direkte Linie nach links verlassen. Ich folge nun der Hirschfelsstraße in den Höllbachgraben hinunter und stehe nur Minuten später an einer Brücke über den gleichnamigen Bach, die die Landesgrenze zwischen Kärnten und der Steiermark markiert.

Auf der nun steirischen Seite des Grabens komme ich ansteigend wieder heraus, so dass sich ein erster Blick auf das Tagesziel Soboth ausgeht.

Der Weg dorthin ist allerdings nicht direkt, sondern bringt mich zunächst einmal an den Fuß der Staumauer des zum Koralpenkraftwerk gehörenden Sobothstausees, wo der Wanderweg eine Schleife vollzieht. Auf deren anderer Seite habe ich die Zufahrtsstraße zur Staumauer wieder aufwärts zu marschieren, bis ich an der bereits von Pfarrdorf her bekannten Passtraße stehe. Nur für wenige eilige Schritte verbleibe ich auf dieser Straße, dann wechsle ich zu den ruhigeren Gefielden der Lassnighube, einer Ansammlung von mit Holz errichteten Bauwerken. Hierher gelange ich vom Anwesen „Karnitschnig“ über einen sehr wohltuenden Wiesenweg.

Hinter den Gebäuden der Hube werde ich mittels Weideumzäunungen durch einen kleinen Graben geleitet, von dem aus ein wurzeliger Waldpfad einen Hang ansteigt. Schon seit geraumer Zeit habe ich Soboth nicht mehr gesehen, so dass mit der Zeit die Befürchtung in mir hochsteigt, ich könnte am Ort vorbeilaufen. Wieder geht es in einen engen Graben, wo ich den Gaschitzbach übersetze. Der daran anschließende und teilweise sehr steile Anstieg ist dann aber wirklich der letzte des Tages und nach dessen Überwindung finde ich mich direkt vor dem reservierten Quartier wieder.

Viel Aktivität registriere ich in dieser Gemeinde nicht, weshalb ich mich im Gasthof Messner sogleich anmelde. Nach einem hygienischen Service in eigener Sache kann ich mich endlich zu Tisch setzen und die Speisekarte ausgiebig studieren, wenngleich Gaumen und Magen angesichts der heutigen Beinahe-Nulldiät eher anspruchslos sind. Ich scheine der einzige Gast zu sein, alle sonstigen Anwesenden sind Familienmitglieder und Freunde.

Schon früh ziehe ich mich auf mein Zimmer zurück, der lange Wandertag steckt mir in den Knochen. Das Wetter hat gehalten, nur vor Sonnenuntergang sieht es nach Regen aus, am Abschlusstag sollte ich davon aber verschont bleiben. Doch auch ohne Regen werde ich nicht völlig trocken bleiben. Was laut Wegbeschreibung und Karte wie lockeres Ausgehen anmutet, wird angesichts des Busfahrplanes in Eibiswald und des Geländes meine Kondition und Psyche jedoch noch gehörig fordern.

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