Gori – ein Ausflug in die Geschichte

Wenn man so wie ich von Kachetien nach Tbilissi gekommen ist und auch dem Kazbegi bereits einen Besuch abgestattet hat, bieten sich zwei Varianten der Weiterreise an. Entweder man fährt über die M6 in südlicher Richtung zur armenischen Grenze und sieht sich im Nachbarland ein paar Tage lang um, oder man wählt den Weg westwärts zur Schwarzmeerküste. Aktuell ist das Reisen in Armenien wegen latenter und manchmal auch faktischer militärischer Auseinandersetzungen eher weniger empfehlenswert, wodurch Variante eins vorerst einmal obsolet scheint.

Auf der Fahrt von der Hauptstadt nach Borjomi durchquere ich nach eineinhalb bis zwei Stunden die Kleinstadt Gori. Diese hätte kaum einer Erwähnung bedurft, wenn in ihr nicht 1879 ein gewisser Josif Wissarionowitsch Dshugaschwili geboren worden wäre, der in weiterer Folge unter dessen Revolutions-Kampfnamen Stalin, welchen er 1912 annahm, von 1927 bis 1953 die ehemalige Sowjetunion anführte. Neben dessen Geburtshaus steht ein dem Diktator gewidmetes Museum für Besucher offen. Vor einem Zwischenstopp direkt im Stadtzentrum lädt jedoch nur wenige Kilometer außerhalb die Höhlenfestung Uplisziche zu einer Besichtigung ein.

Ein Abstecher zur Höhlenfestung Uplisziche:

Diese Gelegenheit sollte genutzt werden, denn das moderne mit Toiletten und Cafés ausgestattete Besucherzentrum öffnet um 10 Uhr (Montags geschlossen), also just genau dann, wenn man von Tbilissi kommend Gori erreicht. Am frühen Vormittag hat man noch die Chance, sich die Anlage nicht mit zahlreichen anderen Touristen teilen zu müssen. Der Eintritt kostet mit Führung ungefähr 20 GEL und für die Besichtigung sollten mindestens 90 Minuten veranschlagt werden. Achtung: Im Hochsommer ist man Sonne und Hitze direkt ausgesetzt!

Uplisziche wird auch als die „Festung Gottes“ bezeichnet und ist etwa 3500 Jahre alt, einige der Bauwerke sollen jedoch bereits in der Zeit um 3000-4000 v. Chr. entstanden sein. Es handelt sich somit um eine der ältesten Siedlungen der Menschheit. Errichtet wurde die Festung hauptsächlich von Sklaven. Diverse archäologische Funde legen nahe, dass die Bewohner von Ackkerbau, Viehzucht, sowie Weinbau und Fischzucht lebten. Nach ihrer Gründung entwickelte sich die Felsenstadt zu einem Handelszentrum an der Seidenstraße, dessen Blütezeit vom 9. bis zum 11. Jahrhundert reichte.

Wegen dessen strategisch wichtiger Lage gab es immer wieder Kämpfe um diese Festung, allerdings waren diverse Angriffe stets erfolglos. Erst dem Mongolenherrscher Ögedei Khan war es im 13. Jahrhundert vorbehalten, die Stadt einzunehmen und zu zerstören. Was Kriege nicht bewirkten, leistete die Natur. 1920 wurden Gori und dessen Umgebung von einem heftigen Erdbeben erschüttert und so sehr zerstört, dass eine vollständige Restaurierung von Uplisziche heute als unmöglich gilt.

Ich beginne die Besichtigung über eine Rinne glattgeschliffenen Gesteins (Vorsicht bei Nässe!). Bereits vor der Treppe zu den Felsenbehausungen sind die alten Festungsmauern zu erkennen.

Richtig interessant wird es aber ohnehin erst auf dem Plateau. Von dort aus genieße ich eine atemberaubende Aussicht über das Tal des Flusses Mtkvari. Neben den Touristen huschen auch einige Echsen über die von der Natur abgeschliffenen Felsen und scheinen sich hie und da zu sonnen. Wegen deren geringer Scheu vor den Besuchern sind sie ein begehrtes Fotomotiv.

Die Festung besteht aus rund 150 Räumen, Sälen, Kellern und Kanalisationsanlagen, von denen einige noch erhalten sind und besichtigt werden können. Das größte Gebäude der Anlage ist die große Felsenhalle Tamaris Darbasi („Tamaras Halle“) mit Kassettentunneldecke und zwei gewaltigen aus dem Fels geschlagenen Säulen, außerdem mit galerieartigen Zugängen zu den Nebenräumlichkeiten.

Aus dem 9. oder 10. Jahrhundert nach Christus stammt die dreischiffige Fürstenkirche, welche vom höchsten Punkt der Festung aufragt und deren Inneres mit Fresken verziert ist.

Das Plateau wird durch einen in den Fels gehauenen 40 Meter langen Tunnel verlassen, welcher früher bei Belagerung der Wasserversorgung der Stadt diente.

Dieser Ausgang liegt ein wenig verborgen, also orientiert man sich am besten an anderen Besuchern.

In Gori:

Als ich von Uplisziche her im Zentrum von Gori eintreffe, bieten sich mir im wesentlichen nur zwei Möglichkeiten: Entweder steige ich auf einen Hügel zur Burgruine Gorisziche auf, um einen guten Überblick über das Stadtgebiet zu erlangen oder ich widme mich dem früheren Sowjetdiktator Stalin (der „Stählerne“). Burgen und Klöster habe ich in Georgien (und zwischendurch in Armenien) bereits ausreichend gesehen, womit ich in der Historie verbleibe und mir zunächst Stalins Geburtshaus aus der Nähe ansehe. Der Bau sieht mit seinem darüber gestülpten tempelartigen Rahmen geradezu bizarr aus.

Das sagt schon einiges darüber aus, wie sehr man den Diktator hier im Volk noch immer verherrlicht. Eine Stalin-Statue am gleichnamigen Platz konnte 2010 von der Stadtverwaltung nur in einer Nacht und Nebel-Aktion demontiert werden. Bei Tag hätte es hier wahrscheinlich heftige Tumulte gegeben. Stehengeblieben ist hingegen ein anderes Stalin-Denkmal gleich zwischen dessen Geburtshaus und dem ihm gewidmeten Museum.

Das aus zwei kleinen Zimmern bestehende Geburtshaus (Besichtigung erst nach dem Ticketkauf im Museum) befindet sich im Museumspark, genauso wie der grüne, gepanzerte Salonwagen, in dem der Diktator u.a. zur Potsdamer Konferenz zu reisen pflegte. Bei Interesse kann man gegen Entgelt durch den Wagon sogar hindurch gehen und in die einzelnen, durch ihre Schlichtheit auffallenden Abteile blicken. Die Öffnungszeiten sind allerdings eher unregelmäßig, möglicherweise müssen Besucher warten, bis sich eine kleinere Gruppe gebildet hat, bevor die Dame an der Kassa den Salonwagen aufsperrt.

Im Museum selbst darf man sich auch keine kritische Betrachtung der Ära Josef Stalins erwarten, was sehr bedauerlich ist, weil sich durchaus interessante Exponate darin befinden. Eine Bürgerbefragung ging im Jahr 2012 zuungunsten einer gröberen Umgestaltung des Hauses und somit einer deutlich stärkeren Hinterfragung des Wirkens des berümtesten Sohnes von Gori aus. Ich erwähne deshalb nur, wie das Haus organisiert ist:

  • Leben Stalins vor und während der Oktoberrevolution 1917
  • Stalin in der Zwischenkriegszeit
  • der Zweite Weltkrieg (und Privates über Stalin)
  • eine der Todesmasken des Diktators
  • Geschenke an den Sowjetdiktator
  • weitere persönliche Gegenstände
  • über die Zeit der Repression (seit 2010 aufgenommen)

Der letzte Punkt wurde erst vor zwölf Jahren in die Ausstellung eingearbeitet und beinhaltet die Darstellung einer der typischen Gefängniszellen sowie ein nachgebautes Verhörzimmer, nichts jedoch über den von Stalin bewirkten Völkermord (Stichwort: „Holodomor – Tötung durch Hunger“ in der Ukraine 1932/33).

Das Eintrittsgeld beträgt inklusive Führung 15 GEL, für den Salonwagen sind 5 GEL extra zu berappen. Das Museum ist von 11 bis 17 Uhr für Besucher geöffnet.

Ein kurzes Fazit:

Auf der Fahrt von der Hauptstadt in den Kurort Borjomi (sprich: Bordschomi) empfehle ich einen Zwischenstopp in der Kleinstadt Gori, einerseits um eine der ältesten Siedlungen bei Uplisziche aufzusuchen, andererseits um in Gori selbst entweder die Burgruine Gorisziche oder – wer mag – das Stalinmuseum zu besichtigen. Die Öffnungszeiten der historischen Stätten fallen praktischerweise so, dass genau dann geöffnet wird, wenn man von Osten her ankommt.

Die Felsenfestung ist ihr Eintrittsgeld in jedem Fall wert, weil man zu den Höhlen auch noch eine grandiose Aussicht ins Tal der Mtkvari hat. Für das Museum kann ich jedoch keine uneingeschränkte Empfehlung abgeben, weil man sich dort noch nicht ausreichend kritisch mit den Verbrechen Stalins auseinandergesetzt hat. Die Ausstellung des Jahres 2019 ist daher einigermaßen verbesserungswürdig.

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