Gruppenwanderungen sind ein Ereignis, das in meinem bisherigen Wanderleben abseits von lange zurückliegenden Schulausflügen selten bis gar nicht stattgefunden hat. Umso überraschender ereilte mich kurz vor den Weihnachtsfeiertagen ein Angebot zur Teilnahme an einer Tagestour am Nordosthang des Günser Gebirges, welches ich nicht ausschlagen konnte. In diesen bis nach Ungarn reichenden östlichen Ausläufern der Alpen war ich noch nie.
Tag der Tour: 30.12.2017, Länge: ca. 21 km;
Am vorletzten Tag des Jahres finden wir – außer meiner Wenigkeit noch zehn weitere Motivierte, die einander nicht alle kennen – um 7:45 Uhr vor dem Einkaufszentrum „The Mall“ beim Bahnhof Wien Mitte-Landstraße zusammen. Auf zwei Fahrzeuge aufgeteilt, geht es danach etwa eine gute Stunde lang meist auf Autobahnen und Schnellstraßen südostwärts bis nach Rattersdorf an der ungarischen Grenze.
Die geplante Route hat die Form eines Achters. Wir gehen zunächst die kürzere Schleife zu den uralten Kastanienbaumriesen von Liebing an und daher durch ein kurzes Waldstück bergauf.

Dieser Teilnehmer ist als Wanderer eher geEICHT.

Des Weitwanderweg „Alpannonia“ ist nicht weit von hier, wir werden ihn heute noch ein Stück gehen.

Bald stehen wir vor den mächtigen Kastanienbäumen, die allesamt schon bessere Tage gesehen haben. Sie sind bis zu 350 Jahre alt und haben einen Stammumfang bis zu zehn Meter, womit sie als die dicksten Bäume des Burgenlandes gelten.

Für das eine oder andere Foto taugen sie aber noch allemal.

Kühl ist es an diesem Vormittag noch, darum macht als nächstes ein wärmender Punsch die Runde, bevor wir wieder hinab ins Tal steigen und zurück nach Rattersdorf gehen.

Das Dorf wird von uns durchquert und auf der anderen Seite geht es dann auf einem Waldweg empor bis wir an eine Pforte kommen, welche die österreichisch-ungarische Grenze markiert.


Unser nächstes Ziel ist das sogenannte „Siebenbründl“, das von einer Kehre des Weges nach links unten abzweigend in wenigen Minuten erreichbar ist.

Oh welche Überraschung, hier trifft man auf exakt sieben Quellen. Auf der Website des „Naturparks Geschriebenstein“ liest man dazu folgendes: „Das Siebenbründl (…) hat seinen Namen von den sieben Stammeshäuptlingen von Ungarn (…) mit den Namen (…) Álmos, Elöd, Ond, Kond, Tas, Huba, Töhötöm. Die Quelle hat die Hochburg (oder Altburg) mit seinem kristallklaren, kalten Wasser versorgt.“

Wo getrunken wird soll auch gegessen werden, dachte man hier wohl und errichtete eine hölzerne Unterstandshütte, in der es auch Sitzgelegenheiten gibt. Wir nutzen diese und packen unsere Jause aus. Man beachte den Eingangsbereich zum Unterstand, denn hier existiert eine eigene Markierung für den eher unbrauchbaren Wanderstempel.

Nach dieser wohlverdienten Pause wandern wir auf einem schmalen und steileren, teilweise mit einer dünnen Schneedecke ausgekleideten Pfad immer höher zur Althaus-Aussichtswarte (Óház-tetö) auf einen Nebengipfel des Zeigerberges (Irány-hégy) hinauf.


Oben auf 609m Seehöhe angekommen, sind wir nicht alleine, denn auch für die Bewohner von Köszeg (Güns) ist dieser Aussichtspunkt ein beliebtes Ziel. Von der im 13. Jahrhundert hier errichteten Burg (Castrum Kwszug) leitet sich der Name der im Tal liegenden Stadt ab. Die Burg verfiel in den Jahrhunderten darauf wieder.

Der Rundumblick ist gewaltig und reicht weit in die pannonische Tiefebene hinein sowie bis zu den Fischbacher Alpen im Westen und den Gutensteiner Alpen im Nordwesten.



Die Zeit vergeht wie im Flug. Sobald alle Fotos im Kasten sind, brechen wir auf und machen uns auf der „Alpannonia“ – einem Weitwanderweg von Fischbach nach Köszeg – an den Abstieg nach Köszeg. Auf zum Teil rutschigen Waldwegen verlieren wir wieder rasch an Höhe, bis wir auf eine Straßenkreuzung stoßen.

Für kurze Zeit kommen an dieser Stelle Unklarheiten über den weiteren Wegverlauf auf.

Der richtige (Stiegen-) Einstieg in einen für besiedeltes Gebiet recht urigen Waldpfad wird dann doch noch gefunden, so dass einem zügigen Erreichen des Hauptplatzes von Köszeg nichts mehr im Wege steht.

Der Hauptplatz ist autofrei und großzügig angelegt. Optisch bestimmend sind die neugotische Herz Jesu-Kirche im Westen und die Dreifaltigkeitssäule (Pestsäule) im Zentrum des Platzes.

Vom Hauptplatz biegen wir in Richtung Heldentor ab, sehen davor noch eine Statue des Hl. Jakobus und stehen nach der Durchschreitung des Tores auf dem Jurisics Platz, dem angeblich schönsten der Stadt. In dessen Zentrum befindet sich die Mariensäule aus der Barockzeit und in Blickrichtung dahinter die spätbarocke St. Emmerich Kirche. Auf der linken Seite des Platzes findet man das Rathaus.

Dreht man sich auf dem Platz noch einmal um, erkennt man sofort das Gebäude mit den Arkaden, weshalb es auch „Arkadenhaus“ genannt wird. Es beherbergt heute das Stadtarchiv. Das Heldentor daneben wurde 1932 im Gedenken an die Abwehr der Türken vor Köszeg errichtet.

Wir besuchen anschließend noch die nur wenige Schritte hinter der St. Emmerich-Kirche errichtete Jakobskirche.


Um an etwas Essbares zu kommen, müssen wir ein Stück zum Hauptplatz zurück. Dort beehren wir das Café Restaurant Ibrahim und verbringen dort in gemütlicher Atmosphäre eine Stunde. Gerne nimmt man im Lokal Euro in Zahlung und auch das Retourgeld gibt es in der europäischen Gemeinschaftswährung.

Nachdem nun für das leibliche Wohl gesorgt ist, müssen wir an den Rückweg nach Rattersdorf zu den Autos denken. Geplant wäre das via Köszeger Kalvarienkirche und der Schulgasse in Rattersdorf. Als wir aus dem Lokal ins Freie treten, ist es aber bereits dunkel. Schnell ist daher der Entschluss gefasst, es zunächst über die Straße zu versuchen und bei günstiger Gelegenheit ins Gelände auszuweichen.

Durch die Altstadtgassen hindurch gelangen wir an den Stadtrand und an eine Straßenkreuzung, an der wir auch die richtige Abzweigung erwischen. Weil das Gehen entlang einer verkehrsreichen Straße eher unkomfortabel ist, nehmen wir den erstbesten nach links abzweigenden Weg. Wer hat, packt spätestens hier seine mitgebrachte Lichtquelle aus.

Der Versuch, von der Hauptstraße wegzukommen, schlägt jedoch fehl und der bald eingeschlagene Feldweg endet im Nichts. Wir gehören auf die andere Seite des linker Hand fließenden Baches, finden aber keinen geeigneten Übergang. So bleibt uns nichts anderes übrig, als querfeldein wieder die Straße zu suchen. Kurz vor der ehemaligen Grenzstation hat uns der Asphalt wieder. Unmittelbar nach dem Grenzübertritt liegt Rattersdorf bereits direkt vor uns. Wir kommen zwar nicht über die Schulgasse daher, dennoch werden wir von einem seltsamen „Empfangskomitee“ begrüßt.

Im Dorf können wir endlich wieder unsere künstliche Beleuchtung verstauen. Unsere Wanderung und mein persönliches Wanderjahr finden an dieser Stelle ihr Ende. Mit dem letzen Fuzerl Akkuleistung wird noch ein Video gemacht, dann geht es zu den Fahrzeugen.

Irgendwann zwischen 18:30 und 19.00 Uhr treten wir die Rückfahrt zum Einkaufszentrum in Wien Mitte-Landstraße an, wo wir gegen 20:15 Uhr eintreffen.
Für mich, der bisher meist Solotouren unternommen hat, bedeuten Wanderungen in der Gruppe eine willkommene Abwechslung. Zu groß sollte die Wanderschar jedoch nicht sein, ist es mir doch nicht gelungen, alle mir neuen Gesichter an diesem Tag kennen zu lernen. Das gibt mir dann das Gefühl, mit manchem aus der Gruppe nicht mit-, sondern nebeneinander her gewandert zu sein. Das ist allerdings nur ein sehr kleiner Wermutstropfen, denn wie heißt es so schön: Eine neue Wanderung bietet da auch eine neue Chance.
Eine kleine nachträgliche Ergänzung noch: Peter von ICH, AM WEG hat von dieser Tour bereits ein Video online gestellt.
Hallo Bernhard, hast einen tollen Beitrag verfasst. Wirklich toll geworden. Für mich, der auch zum ersten Mal eine solche Gruppe versammelt hat, war es eine interessante Erfahrung. Vor allem zeitlch ist das mit einer Gruppe so ganz anders zu planen. Weshalb ich auch nicht in einem Lokal reserviert hatte. Und ich auch zuviel auf meine bekannteren Freunde (Monika weil nach Nachtdienst müde und konditinsmäßig die Schwächste, Margit mit der ich gern über Zwischenmenschliche Beziehungen diskutiere) einging. Von Dir, der doch recht still ist, nahm ich ohnehin an, das dieser Spaziergang keine Herausforderung ist.Und so hab ich mich auch noch zwei ganz fremden (Nik und Martin) gewidmet. Das nächste Mal werden wir hoffentlich mehr plaudern. Jedenfalls herzlichen Dank für´s mitgehen und nochmals Dank für diesen spitzenmäßigen Bericht. Wünsch Dir noch ein tolles Wanderjahr. L.G. Peter
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Hallo Peter, ich schließe mich Bernhards Dank an – für’s Organisieren, Einladen und überhaupt! Ich finde auch, dass ein Dutzend +/- die Grenze einer Wandergruppe sein sollte, weil man nicht zum Reden mit _allen_ kommt. In dieser kannte ich ja den Großteil schon, aber bei „Fremden“? Auch für Dich, schätze ich, wird’s dann schwierig sich um alle zu kümmern. Dennoch Du hast das ganz hervorragend gemanagt vom Anfang bis zum „dunklen“ Ende! DANKE nochmals und alles Gute für deine neuen Aufgaben!
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Danke, Peter. 🙂 Das Kennenlernen des Weges und der Mitwanderer(innen) hat mich einigermaßen ausgelastet. Dazu kam noch die Ausschau nach geeigneten Fotomotiven. Bin eben nicht so ganz hundertprozentig multitaskingfähig. 😀
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Danke, Bernhard, für den tollen Bericht! Auch für mich sind Gruppenwanderungen etwas ganz Neues, hatte aber schon mit weniger TeilnehmerInnen „Erfahrung“ vom 07er (Wien->Hainburg). Ein schönerTag und ein erlebnisreicher Abschluss des 17er Wanderjahres mit einer Premiere für mich – „Nachtwanderung“. Frau muss nur warten können 🙂
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Das Warten wird oft belohnt… 🙂
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Wie immer ein wunderschöner Bericht, mit großer Mühe fürs Detail :-), danke dafür. Tageswanderung in der Gruppe find ich ab jetzt toll, war auch für mich neu. Weitwandern möchte ich allerdings doch nur zu zweit oder alleine.
Welch Glück für mich, dass so gute Fotografen dabei waren ;-).
Hoffentlich haben wir den Peter nicht allzu sehr „belastet“, sodass wir 2018 auf neue Wandertage hoffen dürfen?
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Danke dir! Bei Weitwanderprojekten wäre für mich bei drei Mitwanderern das max. Limit erreicht. Der Peter wird nicht das letzte Mal etwas organisiert haben und vielleicht steigern sich auch die Fotografen noch.mehr 😉
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Huch, ob ihr dann mit meinen Fotos zufrieden seid? Nicht umsonst schreib ich den Blog und Otto fotografiert 😉
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Käm‘ auf einen Versuch an, Renate 🙂
Meine sind ja auch nicht „hervorragend“ aber zumindest für mich eine nette Erinnerung.
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Kein Hobbyfotograf ist perfekt, aber die meisten sind bestrebt, immer ein wenig besser zu werden. Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft bzw. die Qualität. An erster Stelle steht aber stets die Erinnerung mittels privatem Archiv.
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