Unterwegs auf der Georgischen Heerstraße: Teil 2 – Im Großen Kaukasus

Die von der Georgischen Heerstraße durchzogene Provinz Mzcheta-Mtianeti gilt als eine eher abgelegene Region innerhalb Georgiens. Der Straßenverlauf durch den Großen Kaukasus folgt früheren Karawanenwegen und verbindet dabei unter Vernachlässigung Russlands den Großraum von Tbilissi/Mzcheta mit dem Berg des Prometheus, welcher heute als Kazbegi jedem Kaukasusbesucher ein Begriff ist. Doch nicht nur die Umgebung des Kazbegi lohnt einen Abstecher von Zentralgeorgien aus, sondern auch die Wintersportgebiete rund um Gudauri samt dem Kreuzpass sowie der Shinwali-Stausee mit der Festung Ananuri an dessen nordwestlichem Ufer.

Die Festung Ananuri

Die 2007 in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommene Wehrkirche und Festung erreichen wir auf der Fahrt gen Norden zuerst, da sie nur ca. 60 km von Tbilissi entfernt liegt. Sie ist eines der beliebtesten Ausflugsziele im Land, das sowohl von Georgiern als auch von Touristen vorzugsweise im Rahmen eines Tagesausfluges nach Stepanzminda besucht wird.

Ananuri ist Burg und Kloster zugleich und war die frühere Residenz der Fürsten von Aragwi. Errichtet wurde sie seinerzeit am Eingang des Aragwi-Tales, um das Tal von hier aus kontrollieren zu können. Von den beiden Burgkomplexen ist nur noch die Oberburg erhalten, während die Unterburg größtenteils samt der gleichnamigen Ortschaft  im Stausee verschwand und deren Rest mit der Zeit verfiel.

Die Oberburg besteht aus zwei Kirchen, einem Badehaus und einem Glockenturm. Wir betreten die Anlage bei einem in Richtung Tbilissi gewandten Wehrturm, also nicht auf der Seite des Parkplatzes, sondern am Zugangsweg zum Stausee. Von der gleich beim Eingang gelegenen Himmelfahrtskirche spricht man auch als einem der bedeutendsten Denkmale der nachfeudalen Epoche Georgiens aus dem späten 17. Jahrhundert.

In ihrem Innengewölbe ist der Sakralbau weiß gekalkt, nur an den Innenpfeilern findet man Reste von Fresken, während an den Außenwänden reichhaltige Reliefs zu sehen sind.

Die in Richtung der Straße liegende ältere Erlöserkirche besteht nur noch aus unverputzten Steinmauern.

In ihrem Inneren steht ein gemauerter Baldachin, unter dem sich die Grabplatte für Mdinbanweg – dem Erbauer der Wehranlage – und dessen Frau Anachanum Abaschidse befindet.

Die Festungsanlage ist durch eine noch gut erhaltene Mauer aus Natursteinen mit halbkreisförmigen Zinnen umgeben, welche noch durch einen quadratischen Bergfried und mehrere zusätzliche Ecktürme verstärkt ist.

Nach diesem kurzen Besuch in der Festung Ananuri fahren wir tiefer in das Aragwi-Tal hinein. Die Berge auf der linken Seite bilden dabei die Grenze zur touristisch nicht zugänglichen autonomen Region Südossetien. Wer den Vormittag in Mzcheta verbracht hat, kann sich so wie wir bei einem Zwischenstopp etwa 30 km hinter Ananuri in Passanauri stärken.

Hoch im Wintersportzentrum Gudauri

Entlang der Weißen Aragwi folgen wir nun der Heerstraße in Richtung des Großen Kaukasus. Auf den nächsten Kilometern zeugen einige historische Wachtürme von der Vergangenheit. Ihr Zweck war die Weiterleitung von Signalen bei Gefahr.

Ab dem Ort Mleta wird die Straße spektakulär, denn sie beginnt sich in zahlreichen Kehren um rund 1000 Höhenmeter in den Wintersportort Gudauri hinauf zu winden. Die Aussicht ins immer tiefer darunter liegende Flusstal und auf die umgebende Bergwelt ist atemberaubend, man kann an mehreren Aussichtspunkten anhalten und den Tiefblick genießen.

Erstmals sind auch die Gipfel des Hochkaukasus zu erkennen, die meisten von ihnen um die 4000 m hoch oder darüber. Gudauri ist das wohl bedeutendste Wintersportzentrum Georgiens, dessen Saison von Dezember bis April reicht. Hier bietet es sich an, für eine Nacht zu verweilen und erst am nächsten Tag über den Kreuzpass weiterzufahren. In der Sommersaison sind die Hotelpreise um die Hälfte reduziert, ein Teil der Beherbergungsbetriebe hat aber in der warmen Jahreszeit nicht geöffnet.

Über den Kreuzpass

Der Kreuzpass (Dschwari Ucheltechili) ist der höchste Punkt der Georgischen Heerstraße, gleichzeitig aber auch der niedrigste Übergang über den Großen Kaukasus und zugleich die Wasserscheide für die Aragwi und den Tergwi. Weiters beginnt hier die kleine und abgelegene Provinz Chewsuretien. Auf dem je nach Quelle 2379m bis 2395m hohen Pass steht ein markantes Steinkreuz auf einem Sockel.

In dessen Nähe wurde vor einiger Zeit ein Friedhof für deutsche Kriegsgefangene, welche hier vor allem für den Straßen- und Tunnelbau – ganz sicher eine Meisterleistung der Straßenbaukunst –  eingesetzt waren, wieder restauriert.

Auf der anderen Seite des Passes fließt der rotbraune und mineralienhaltige Tergwi an der Heerstraße entlang durch die Dariali-Schlucht. In der Region sind deshalb überall Sinterterrassen und farbige Ablagerungen von Eisen und Schwefel zu sehen, samt guter Fotomöglichkeiten.

Um der latenten Lawinengefahr im Winter zu entgehen, hat man vereinzelt Tunnel und Galerien gebaut, die im Sommer jedoch nicht genutzt werden.

Kobi, Sioni und Arsha heißen die nächsten Ortschaften an denen die Straße vorbei führt. Von Kobi aus lässt sich ein Abstecher in die Truso-Schlucht machen und von Arsha gelangt man ostwärts ins Sno-Tal. Fährt man das Tergwi-Tal weiter nach Norden abwärts, so ist bereits auf der Höhe von Sioni das Becken, in dem Stepanzminda liegt zu sehen.

Stepanzminda und Kazbegi

Der wenige Kilometer vor der russischen Grenze liegende und 155 Kilometer von Tbilissi entfernte Ort – zu deutsch St. Stefan – trägt erst seit einigen Jahren wieder seinen alten Namen. Zwischenzeitlich nannte man ihn auch Stepantsminda oder Kasbegi, nach dem hier geborenen Schriftsteller und Adeligen Alexander Kasbegi (1848-1893). Ihm zu Ehren befindet sich eine Statue von ihm am Ufer des Tergwi. Dessen Grab ist im Garten jenes Grundstücks zu suchen, auf dem sein Geburtshaus und heute das Alexander Kasbegi-Museum steht. Daneben ist eine kleine Kirche errichtet.

Obwohl in Stepanzminda eine Vielzahl von Gästehäusern existiert, kommen die meisten Reisenden – so wie wir – nur für einen Tag mit einer organisierten Tour von Tbilissi hierher. Blickt man zu den Bergkämmen empor, fällt einem sofort die Zminda-Sameba-Kirche aus dem 14. Jahrhundert ins Auge. Sie ist der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht und wird auch als „Gergeti-Kirche“ bezeichnet. Die Dreifaltigkeitskirche ist auch die einzige Kuppelkirche im georgischen Bergland. Von Stepanzminda aus betrachtet ist die Lage der Kirche atemberaubend, weshalb sie auch als meistfotografierte Kirche von ganz Georgien gilt und zu den beeindruckendsten Sakralbauten des gesamten Kaukasus zählt.

Die Erhebung, auf der die Kirche thront ist nicht bewaldet und wird wegen der Aussicht auf den Kazbegi (dt.: Kasbek), mit 5033m der zweithöchste Berg Georgiens, von Touristen gerne besucht. Weil die Kirche auch ein Wallfahrtsort ist, kommen auch zahlreiche Pilger und Gläubige hierher, weshalb es an den Wochenenden hier ziemlich bevölkert sein kann.

Die Anhöhe ist sowohl zu Fuß als auch mit gebuchten Geländefahrzeugen zu erreichen, wobei Fußgänger etwa zwei Stunden für den Aufstieg einplanen sollten. Noch heute verbringen Mönche auf dem Kirchengelände ein einsames Leben und gewöhnen sich nur sehr zögerlich an den setig steigenden Besucherandrang. Beim Betreten der Kirche sollte man auf angemessene Kleidung achten. Fotografieren ist bei freiem Eintritt auf dem Kirchengelände nicht gestattet.

An sonnigen Tagen werden sich Besucher aber ohnehin eher dem Kasbegi zuwenden, vor allem, wenn die Spitze des erloschenen Vulkanes wolkenfrei ist.

Bereits die alten Griechen hatten Ehrfurcht vor diesem Berg. Der antiken Sage nach soll Prometheus an die Felsen des Bergmassivs angekettet gewesen sein. Man wollte ihn damit für den Vorwurf bestrafen, dass er den von ihm geschaffenen Menschen das Feuer brachte, welches er den Göttern gestohlen hat.

Der siebenthöchste Gipfel des Kaukasus ist einer der dünn gesäten Fünftausender, die wegen ihrer nur mäßigen Steilheit für Wanderer sehr beliebt und auch gut erreichbar sind. Alle Aufstiegsversuche beginnen in Stepanzminda. Die ideale Reisezeit für den Besuch dieser Region sind die Sommermonate Juni bis September, allerdings bereisen viele Touristen zu dieser Zeit den Kaukasus.

Auf dem selben Weg nach Tbilissi retour

Auf der Rückfahrt kann man das Tergwi-Tal noch einmal auf sich wirken lassen. Hinter dem Kreuzpass und beinahe schon in Gudauri taucht auf der rechten Seite an der Kante zur Schlucht, die von der Weißen Aragwi durchzogen wird, eine gewaltige Aussichtsplattform auf, die wiederum talseitig von einer halbkreisförmigen Mosaikwand begrenzt wird. Diese Aussichtsplattform bezeichnet man als „Denkmal der Sowjetischen Freundschaft“. Die Wand ist etwa siebzig Meter lang und wurde 1983 anlässlich des 200. Jahrestages des Traktats von Georgijewsk errichtet.

Der Blick ins Tal hinunter ist jedenfalls phänomenal, nur wollen leider für meinen Geschmack zu viele Touristen diese Aussicht gleichzeitig genießen. Die einzigen, die sich über den Andrang freuen können, sind die Besitzer der Souvenirstände, die den unbedarften Reisenden abzuzocken versuchen.

Wir fahren dieselbe Strecke zurück, auf der wir nach Stepanzminda gekommen sind und halten am Ananuri-Stausee bei Shinvali ein zweites Mal. Das Fotolicht hat sich wegen der einsetzenden Gewitterstimmung komplett verändert, dennoch war es diesen Zwischenstopp wert.

Mitunter gehören die Straßen den riesigen Schafherden, die von Hirten vor sich her getrieben werden, was auch das typische Landleben der Georgier außerhalb der Städte ausmacht.

Bevor wir in unsere Herberge zurückkehren, gönnen wir uns in Shinvali noch ein oppulentes Abendessen, schließlich waren wir beinahe den gesamten Tag über enthaltsam.

Fazit

  • Den Ausflug bis knapp an die russische Grenze, um (vielleicht) den Kazbegi zu sehen, unternimmt man besser abseits der Wochenenden, um den größten Touristenströmen zu entgehen.
  • Das gilt bereits für die Festung Ananuri, deren Besichtigung uneingeschränkt zu empfehlen ist, aber auch jene, die wenig Interesse an alten Bauwerken zeigen, sollten am Shinvali-Stausee zumindest kurz anhalten und den Blick über den Stausee hinweg gleiten lassen.
  • Die Aussicht von der Zminda-Sameba-Kirche ist fantastisch – sowohl zum über 5000m hohen Kazbegi (an klaren Tagen), als auch auf Stepanzminda und die gegenüberliegenden Berge.
  • Für einen kurzen Rundgang in Stepanzminda sollte ein wenig Zeit übrig bleiben, um das Kazbegi-Museum auch noch aufsuchen zu können.
  • Wer mehr als ein bis zwei Tage zur Verfügung hat, für den zahlt es sich auch aus, die Seitentäler des Tergwi zu erkunden. So könnten sich ganz andere Perspektiven auf den Kazbegi ergeben.
  • Wer Mzcheta einen halben Tag lang besichtigt, findet in Gudauri eine Nächtigungsmöglichkeit und erreicht auf diese Weise ausgeruht Stepanzminda. Allerdings haben in den Sommermonaten nicht alle Gästehäuser geöffnet.
  • Die Tour auf der Georgischen Heerstraße ist auf jeden Fall ein Highlight während eines Aufenthalts in Georgien.

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